©Achim Lerch 1997.
Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de
Irland - grüne Insel, schwarzes Bier
Der Wirt betätigt noch einmal den überdimensionalen
Zapfhahn und stellt dann das volle Glas vor mir auf die Theke
aus dunklem Mahagoni, langsam, von aufwallenden Bewegungen begleitet,
bildet sich die Schaumkrone des dunklen Bieres: Guinness. Dieses
"schäumende ebenholzfarbene Bier", wie James Joyce
es nannte, ist wohl untrennbar mit diesem Land verbunden, Irland
und Guinness gehören zusammen wie Bayern und Weizenbier.
Glaubt man den Angaben der Brauerei, so kam Arthur Guinness nach
zeitraubenden und aufwendigen Versuchen im Jahr 1759 auf die Rezeptur
des berühmten Gebräus und leitete damit eine neue Ära
in der Geschichte des Gerstensaftes ein. In Irlands Pubs wird
freilich auch eine andere Version erzählt: Eines Tages sei
dem guten Arthur während des Röstvorgangs die Gerste
verbrannt, und "Guinness" war schlicht das Ergebnis
des Versuchs, mangels Geld für neue Gerste zu retten was
zu retten war und dennoch ein Bier zu brauen.
Wie auch immer, ich nehme einen kräftigen Schluck und beobachte
fasziniert, daß der Rand zwischen heller Krone und dunklem
Bier nun eine Wölbung aufweist; nicht nur der Geschmack,
auch die Konsistenz dieses Bieres ist unverwechselbar. Hier, in
"Ryan´s Pub" in Dublin, einem der ältesten
viktorianischen Pubs mit (echter) edler Holzeinrichtung, hatten
wir vor zweieinhalb Wochen auch den ersten Abend in Irland bei
einem Glas Guinness verbracht, voller Erwartung und Vorfreude.
Jetzt sitzen wir wieder an der Theke und bedauern nichts mehr,
als die morgige Abfahrt unserer Fähre. Ich nehme einen zweiten
Schluck, betrachte versonnen den "rubinfarbenen Schimmer"
im Glas und versinke in Erinnerungen an die vergangenen Tage...
Nachdem die Fähre aus Rotterdam pünktlich um 8 Uhr in Hull angekommen war, war zunächst etwas Streß angesagt: Es galt, England zügig zu durchqueren und am frühen Nachmittag in Holyhead zu sein, um dort die Fähre nach Dublin zu erreichen. Hier nun, in der Panorama-Lounge der "Isle of Inisfree", begann bei einem half-pint Guinness und Kartoffelchips mit Essiggeschmack der Urlaub so richtig. In Dublin angekommen, half uns ein irischer Motorradfahrer, unser Hotel zu finden und vermittelte uns damit einen ersten Eindruck von dem, was uns den ganzen Urlaub hindurch immer wieder beeindrucken sollte: Die enorme Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Iren. Das "Park-Lodge-Hotel", direkt am riesigen Phoenix-Park gelegen, erwies sich als gute Wahl: Zwar sind Haus und Einrichtung nicht mehr ganz neu, aber gerade dadurch hat das Hotel mit der gemütlichen Bar eine besonders angenehme Atmosphäre. Und Horst Fierenbaum, der Kölner Besitzer, sorgt höchstpersönlich dafür, daß die Motorräder sicher stehen und man in dieser Hinsicht ruhig schlafen kann.
Am nächsten Tag war dann "Sightseeing" in Dublin
angesagt. Zunächst informierten wir uns im "Visitor-Center"
der Guinnessbrauerei über Geschichte und Herstellung des
dunklen Gebräus, im gesalzenen Eintrittspreis war zumindest
ein Pint Freibier enthalten. Anschließend stand das "Kilmainham-Jail",
ein zum Museum umgebautes Gefängnis, auf dem Programm. Einst
als normale Strafvollzugsanstalt gebaut, diente der trutzige Bau
später mehr und mehr der Unterbringung politischer Gefangener.
So wurden u.a. die führenden Köpfe des Osteraufstandes
von 1916 dort eingekerkert und später hingerichtet. Das Gefängnis
ist deshalb in besonderer Weise mit der irischen Geschichte verknüpft,
die während der Führung mit Filmvorführung nicht
nur geballt und fundiert vermittelt, sondern beim Blick in die
kahlen Zellen auch ein Stück weit lebendig wird. Nach dem
eher beklemmenden kalten Gemäuer kam dann ein Spaziergang
auf dem Campus des berühmten Trinity-College gerade recht,
hier studierten so berühmte Köpfe wie Edmund Burke,
Oscar Wilde oder Samuel Becket. Schließlich flanierten wir
noch über die Oconnellstreet, "die" Hauptstraße
Dublins, und die gleichnamige Brücke und ließen uns
ein Sandwich in einem der zahlreichen Pubs schmecken. Insgesamt
gehört Dublin wohl nicht zu den schönsten europäischen
Städten - städtebauliche Sünden, wie etwa der Abriß
eines kompletten alten Stadtviertels zum Bau einer Schnellstraße,
bleiben nicht ohne Folgen für den Gesamteindruck. Trost spenden
dafür die freundlichen Dubliner und die gemütlichen
Pubs.
Froh, dem morgendlichen Berufsverkehr entkommen zu sein, flüchteten
wir uns am nächsten Tag in die südlich von Dublin gelegenen
Wicklow-Mountains, so wie es viele Dubliner am Wochenende tun.
Ein Abstecher zum Wasserfall von Powerscourt ließ nun erstmals
das Irland der Reiseprospekte erahnen: Klares Wasser in sattgrüner
Landschaft weckte Erinnerungen an diverse Werbefilme für
Butter oder Whiskey. Überhaupt, der Whiskey! Neben Tee und
Guinness ist er natürlich das wichtigste irische Nationalgetränk
und zu recht weltberühmt. Whiskey kannte man in Irland bereits
im 6. Jahrhundert, und damals war der Gerstenschnaps besonders
bei den Mönchen beliebt. Deren Vorliebe für das geistige
Getränk ging so weit, daß sich der irische Abt Columban
schließlich gezwungen sah, drastische Strafmaßnahmen
anzudrohen: Konnte ein Priester aufgrund ausgiebigen Whiskeygenusses
die "Gebete nur noch lallen", so mußte er zwölf
Tage bei Wasser und Brot zubringen. Gar 40 Tage dieser Buße
drohten einem Bischof, der "so besoffen war, daß er
bei der Messe die Hostie auswürgte".
Echter irischer Malt Whiskey, im Gegensatz zum schottischen mit "e" geschrieben, wird übrigens noch heute ausschließlich aus gemälzter, über dem Torffeuer getrockneter Gerste hergestellt, und nicht etwa aus Maismaische, die mit Malt verschnitten wird. Solcher Fusel, wie er bei uns unter populären Markennamen regen Absatz findet, wäre für jede irische Kehle nur eine Beleidigung.
Unsere Fahrt führte uns weiter über typische, durch
mit Brombeerhecken bewachsene Mauern begrenzte Sträßchen
in den kleinen Hafenort Wexford im Südosten der Insel. Fahnenschmuck
in allen Pubs und Schaufenstern und an den meisten der bunten
Häuser zeugte davon, daß der Ort sich komplett im Hurlingfieber
befand: Wexford stand im bevorstehenden Finale dieses irischen
Nationalsports, den man am ehesten als eine Mischung aus Fußball,
Rugby und Hockey umschreiben kann. Als eine Woche später
Wexford tatsächlich Hurlingchampion wurde und wir im Fernsehen
die Bilder einer Kleinstadt in Ekstase sahen, waren wir direkt
froh, uns in sicherer Entfernung zu befinden.
Von Wexford aus ging es über Waterford nach Cork, Irlands zweitgrößte Stadt, und von dort weiter nach Kinsale; wir folgten damit einer Empfehlung von Rory, mit dem wir in Dublin Freundschaft geschlossen hatten. Der malerische Hafenort gilt als die kulinarische Hauptstadt der Insel und man findet zahlreiche erstklassige Gourmet-Restaurants. Unser Budget führte uns allerdings "nur" in den Pub, wo sich das Essen aber auch sehen lassen konnte: Geröstete Entenbrust in Brombeersauce paßt ausgezeichnet zum Guinness! Und als wir noch bei einem "Irish Coffee" (Whiskey, Kaffee und Sahne) unser feudales Mahl verdauten, begannen zwei Iren damit, den bisher ruhigen Pub mit Gitarre und Banjo in Stimmung zu bringen. Spätestens bei "Whiskey in the Jar" war dann der sprichwörtliche "Bär los", und es wurde spät, bis wir ins Bett kamen.
Katerstimmung kam am nächsten Morgen allerdings erst gar
nicht auf, dafür sorgte unsere Bed & Breakfast-Wirtin
Mary, die uns gut gelaunt das irische Frühstück servierte:
Ein Glas Orangensaft, Kaffee oder Tee, "Cereals" (Cornflakes,
Müsli oder Porridge), Spiegelei mit knusprig gebratenem Speck,
gewöhnungsbedürftigen Bratwürstchen (die wir meistens
ausgelassen haben) und einer Grilltomate (manchmal noch Pilzen)
und schließlich Toast mit Butter und "marmelade"
(bittere Orangenmarmelade) oder "jam" (Konfitüre
unterschiedlicher Geschmacksrichtungen). Mit einer solchen Grundlage
läßt es sich hervorragend Motorrad fahren, und Hunger
stellt sich frühestens am Nachmittag wieder ein.
Den verbrachten wir an diesem Tag in einem kleinen Ort namens Glandore, der uns mit seiner herrlichen Lage oberhalb einer kleinen Bucht bei der Durchfahrt so verzauberte, daß wir eine "unplanmäßige" Übernachtung einschoben. Unser Zimmer bot uns direkten Blick auf die in der Bucht vor Anker liegenden Segelboote, im Garten wachsen dank Golfstrom die Palmen und das Lachssteak im Pub war ausgezeichnet - was will man mehr?
Von nun an wiesen die Straßen auf der Michelin-Karte zunehmend
die grüne Markierung für "landschaftlich besonders
schöne Strecken" auf, und bei der Fahrt über Bantry
und Glengariff nach Kenmare konnten wir dies nur bestätigen.
Von Kenmare führt die Straße, die auf diesem Stück
bereits zum berühmten "Ring of Kerry" gehört,
über "Moll´s Gap" durch die Seenlandschaft
des Killarney-Nationalparks nach Killarney. Der Ort selbst fällt
vor allem dadurch auf, daß er durch und durch auf Tourismus
eingestellt ist und die Iren in den Pubs eindeutig in der Minderheit
sind. Trotzdem nutzten auch wir die Stadt als Ausgangspunkt für
den "Ring of Kerry" - laut irischer Fremdenverkehrszentrale
die schönste Küstenstraße der Insel. Auch wenn
dies ein wenig übertrieben ist, schön ist das Sträßchen
allemal! Und daß wir den Abschnitt Kenmare - Killarney zum
zweiten mal fuhren, störte nicht im mindesten - er ist sicher
einer der schönsten.
Womit wir eigentlich schon viel früher gerechnet hatten,
stellte sich dann am nächsten Morgen ein: Regen. Es blieb
allerdings bei leichtem Sprühregen, und es sollte auch der
einzige Tag in der Regenkombi in Irland bleiben - allen Unkenrufen
zum Trotz hatten wir mit dem Wetter wirklich Glück! Die Laune
ließen wir uns jedenfalls nicht verderben, auch wenn die
schöne Aussicht vom Connor-Paß auf der Dingle-Halbinsel
von Wolken verschleiert blieb. Nach der Paßabfahrt blinzelte
dann bei Stradbally bereits wieder die Sonne durch die Wolken
und wir fuhren direkt zum "Stradbally-Strand". An der
Einfahrt zum Strand standen keine Verbotsschilder, dafür
waren deutliche Spuren von Fahrzeugen zu sehen. Etwas ungläubig
und zunächst mit dem schlechten Gewissen des deutschen Motorradfahrers,
daran gewöhnt, daß grundsätzlich alles verboten
ist, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, fuhren wir auf den
Strand. Es machte natürlich mächtig Spaß, im Sand
zu fahren, und als wir beruhigt feststellten, daß auch einige
Iren mit dem Auto dort fuhren, konnten wir das Vergnügen
so richtig genießen. Als wir dann noch am Abend im urgemütlichen
Pub von Castlegregory direkt am Kamin saßen, in dem ein
gemütliches Torffeuer brannte, und traditioneller irischer
Live-Musik lauschten, war der Tag perfekt.
Nach dem üblichen Frühstück entschlossen wir uns
am nächsten Morgen, noch einen Tag in Castlegregory zu bleiben
und von hier aus nochmals den Connor-Paß zu fahren sowie
auf dem Slea-Head-Drive die Westspitze der Dingle-Halbinsel zu
umrunden. Das Wetter spielte diesmal mit und ließ uns die
Aussicht vom Paß wenigstens durch einige Wolkenlücken
genießen, am Slea Head mußten wir allerdings mit Nebel
vorliebnehmen. Zurück auf der Nordseite der Halbinsel lud
dann strahlender Sonnenschein zu einem (kurzen) Bad im Atlantik
ein.
Zum touristischen Pflichtprogramm einer Irlandreise zählt sicherlich der Besuch der "Cliffs of Moher" - zwar sind die steilen Klippen wirklich sehenswert, doch daß selbst jetzt im September noch so viele Touristen den Weg entlang der Klippen verstopften, hätten wir nicht gedacht. Die Eindrücke des Tages verarbeiteten wir dann im berühmten "O´Conners Pub" in Doolin, unweit der Klippen. Von dort führte unser Weg uns durch das einmalige "Burren-Gebiet" - 26.000 Hektar Sandsteinplateaus, die eine besonders artenreiche Flora und Insektenwelt beherbergen. Botaniker und Schmetterlingsfreunde kommen hier voll auf ihre Kosten, aber auch der in dieser Hinsicht eher unbedarfte Reisende wird den herrlichen Anblick genießen. Die Küstenstraße führt dann weiter über den Black Head nach Ballyvaughan und Kinvarra, von dort ist es nicht mehr weit nach Galway. Das Universitätsstädtchen mit seinen 40.000 Einwohnern zählt zu den Zentren der irischen Folkmusik und seine "Singing-Pubs" sind berühmt. Verkehrschaos und hektischer Trubel schreckten uns allerdings ab, und wir bezogen Quartier im kleinen Städtchen Oughterard, etwa 25 Kilometer nordwestlich von Galway am Lough Corrib gelegen. Von dort führte uns ein Abstecher nach Cong, wo wir eine weitere Erfahrung in Sachen Eintrittsgelder machen durften: Um den mit eigenem Golfplatz ausgestatteten Park von Ashford Castle betreten zu dürfen, war ein Salär von 3 Pfund (also ca. 7,50 DM) pro Nase zu entrichten, worin, entgegen unserer Erwartung, ein Betreten des Schlosses selbst nicht enthalten war. Dies bleibt den Gästen des im Schloß untergebrachten Nobelhotels vorbehalten. Daß wir den Abstecher dennoch nicht bereuten, liegt vor allem an der Landschaft: Die Strecke führte durch ausgedehnte Hochmoore, und der Anblick von blühendem Heidekraut, Torfabstichen und kleinen Seen mit schilfbestandenen Ufern im Morgennebel entschädigte für die Enttäuschung am Ashford Castle. Wir befanden uns mittlerweile im County Connemara, und eine Mischung aus Gebirge und Hochmooren bestimmte von nun an die Landschaft - für mich der schönste Teil Irlands! Nach einer Nacht im hübschen Hafenstädtchen Roundstone ging es zunächst weiter entlang der Küste nach Clifden. In Fahrtrichtung fiel dabei der Blick immer wieder auf die im Hintergrund aufragenden "Twelf Bens". Diese "Zwölf Gipfel" wirken mit ihren etwa 1000 Metern Höhe von Meereshöhe aus betrachtet durchaus beeindruckend. Nach Clifden windet sich dann die N 59 mehr und mehr in die Berge und die "Twelf Bens" rücken immer näher. Weiter geht es durchs Hochmoor, und man kann immer wieder Torfstecher bei der Arbeit sehen. Die Torfklumpen, die mit einem speziellen Spaten, dem "slean", ausgestochen werden, werden zu kleinen Hügeln aufgeschichtet und so getrocknet. Würde der Torfabbau ausschließlich nach dieser jahrhundertealten Technik und nur für das heimische Torffeuer geschehen, bräuchte man sich um die Moore Irlands, die "bogs", wohl keine allzu großen Sorgen zu machen. Wie lange diese einmalige und besonders artenreiche Landschaft aber noch Bestand hat, nachdem nun mehr und mehr Torfabbau im industriellen Maßstab zur Verbrennung in Kraftwerken betrieben wird, ist eine andere Frage.
Die N 59 führte uns weiter, vorbei an der am gleichnamigen
See idyllisch gelegenen "Kylemore Abbey" zum "Killary
Harbour", einem natürlichen Hafen, der durch einen kilometerlangen
Fjord gebildet wird. Nachdem entlang des River Eriff Westport
erreicht war, wurde die Strecke bis Sligo eher langweilig, und
erst die Tafelberge der "Dartry Mountains" boten dem
Auge wieder Abwechslung. Unser Bed & Breakfast suchten wir
diesmal in Mullaghmore auf dem Mullaghmore Head. Von hier konnten
wir schon beim Abendspaziergang einen Blick aus der Ferne auf
die höchsten Klippen Europas werfen, die 600 Meter hohen
Slieve League. Um diese zu erreichen, fuhren wir am nächsten
Tag zunächst über Donegal nach Killybegs, dem Zentrum
der irischen Fischindustrie, was unschwer am Geruch zu erkennen
war. Von Carrick aus führt dann eine kleine Straße
in engen Kurven steil direkt auf den Rand der Klippen, der Blick
von hier oben ist phantastisch. Zurück in Carrick tourten
wir dann über den wenig spektakulären Glengesh-Paß
nach Ardara, eines der Zentren der irischen Tweedverarbeitung.
Zum Kauf eines Mitbringsels in Form von Tweedrock, Jacket oder
Mütze konnten wir uns allerdings nicht entschließen.
Dafür schmeckte uns an diesem Abend das Guinness in gemütlicher
Wohnzimmeratmosphäre bei "Nancy´s", Irlands
kleinstem Pub.
Die Fahrt ging dann weiter über die R 261 bis Maas und von
dort auf der schönen und kurvenreichen N 56 bis Dunglow.
Nach einem Abstecher über die R 259 bis Crully ging es weiter
auf der N 56 mit Blick auf den 752 Meter hohen Errigal Mountain
am Rande des Glenveagh-Nationalparks. Bei Cresslough bogen wir
dann ab nach Carrigart, wo der "Atlantic Drive" beginnt,
ein kleines Küstensträßchen mit immer wieder schönen
Aussichten und zahlreichen Rastmöglichkeiten in kleinen Buchten.
Nach einer Nacht in Rathmelton ging es am nächsten Tag weiter in Richtung Süden. Als plötzlich vor uns eine Kuhherde gemütlich die Straße überquerte, wobei die träge wiederkäuenden Tiere sich kaum um unsere Motorräder kümmerten, kam mir Heinrich Bölls "Irisches Tagebuch" in den Sinn: "In Irland war ich oft versucht zu sagen: Die Straße gehört der Kuh (...) herdenweise nehmen sie die Straße ein, drehen sich hochmütig nach dem hupenden Auto um, und der Autofahrer hat hier Gelegenheit, Humor zu beweisen, Gelassenheit zu üben und seine Geschicklichkeit zu erproben." Natürlich gilt dies gleichermaßen für Motorradfahrer! Während wir uns so durch Kuh- und Schafherden "kämpften", merkten wir zunächst kaum, daß wir eine der umstrittensten Grenzen im Europa des ausgehenden 20. Jahrhunderts überschritten haben - auf kleinsten Nebensträßchen sind wir in Ulster gelandet, jener Provinz Irlands, die unter dem Namen "Nordirland" immer wieder für zumeist unschöne Schlagzeilen sorgt. Pressemeldungen, die man Zuhause kaum mehr registriert, erhalten hier vor Ort eine ganz neue Bedeutung, und man kann mit den Menschen hier nur hoffen, daß die sich seit einiger Zeit abzeichnende Normalisierung von Dauer ist. Die Befestigungsanlagen, Schießstände und automatischen Straßensperren, die uns ein beklemmendes Gefühl vermittelten, als wir Nordirland auf größeren Straßen wieder verließen, gehören dann vielleicht bald ebenso der Vergangenheit an, wie die noch monströseren Grenzanlagen im eigenen Lande.
Nachdem wir Quartier in Slane bezogen hatten, galt es dann anderntags,
einen "Kulturtag" zu absolvieren: Zunächst besuchten
wir Irlands höchstes Hochkreuz und den Rundturm in Monasterboice.
Danach ging es über Drogheda zum steinzeitlichen Ganggrab
von Newgrange. Neben den kunstvoll verzierten Monolithen rund
um das Grab ist vor allem seine besondere "Beleuchtung"
interessant: Ein eigens angelegter Gang läßt das Sonnenlicht
nur an den fünf Tagen um die Wintersonnenwende am 21. Dezember
für jeweils 17 Minuten kurz nach Sonnenaufgang in die Grabkammer
fallen, die dann hell erleuchtet ist. Das Schauspiel wird während
der Führung zwar mit elektrischem Licht simuliert, muß
aber in natura noch viel beeindruckender sein. Führungen
an den fünf fraglichen Tagen sind allerdings für die
nächsten neun Jahre ausgebucht. Nach kurzer Visite am "Hill
of Tara", dem ehemaligen Sitz der irischen Hochkönige
und Scarlett-Fans aus Roman und Film bekannt, präsentierte
sich schließlich am Ende dieses Tages die Klosterruine auf
dem "Hill of Slane" im stimmungsvoll-melancholischen
Abendlicht - passend zu unserer eigenen Stimmung angesichts der
Tatsache, daß am nächsten Tag nur noch die kurze "Schlußetappe"
nach Dublin zu absolvieren war...
Über die Erinnerung ist das Glas inzwischen leer, Stimmen
und Gelächter im sich langsam füllenden Pub holen mich
in die Gegenwart zurück, und in dem Bestreben, das Urlaubsende
noch ein wenig hinauszuzögern, wende ich mich an den Barkeeper
hinter dem Tresen: "Another pint of Guinness, please!"
Achim Lerch
Motorradurlaub in Irland - praktische Tips
Anreise:
Zur Anreise gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Direktfähren
fahren von Frankreich (Le Havre und Cherbourg), ansonsten gibt
es zahlreiche Möglichkeiten, über die "Landbrücke"
England anzureisen. Infos hierzu mit einer Übersicht über
alle Fährverbindungen verschickt die irische Fremdenverkehrszentrale
(siehe Adressen). Die Route Rotterdam - Hull/Holyhead - Dublin
hat pro Person und Motorrad 445,- DM gekostet (Hin- und Zurück,
inklusive Zwei-Bett-Kabine auf der Strecke Rotterdam - Hull).
Momentan wirbt der finanziell angeschlagene Tunnelbetreiber "Le
Shuttle" mit Sonderangeboten - vorher informieren!
Unterkunft und Verpflegung:
Obwohl auch ich ansonsten lieber mit dem Zelt verreise, bietet sich für Irland die landestypische Übernachtungsart an: Bed & Breakfast. Zimmer findet man in jedem Ort, und der höhere Preis (ca. 35,- bis 40,- DM pro Nacht und Nase) relativiert sich, wenn man neben dem Komfort das reichliche Frühstück berücksichtigt. Nachteil der Campingplätze ist auch, daß sie meist außerhalb der Ortszentren liegen. Will man abends im Pub ein Guinness trinken und Musik hören, muß man also noch fahren oder weite Fußwege in Kauf nehmen. Wer vor Schlafsälen nicht zurückschreckt, kann auch in den Independent Hostels (vergleichbar unseren Jugendherbergen) unterkommen. Achtung: B & B niemals über die Tourist-Infos buchen - die schlagen nicht nur ein Pfund Gebühr, sondern nochmals 10 Prozent vom Übernachtungspreis drauf - das kann teuer werden!
Das irische Essen ist besser als sein Ruf, und nach unserer Erfahrung
besser als das englische. Beliebt sind Steaks und Lammfleisch
in allen Variationen, zunehmend auch Fisch. Häufig ißt
man im Pub genausogut wie im Restaurant, aber gemütlicher
und deutlich billiger.
Geld:
Währung ist das irische Pfund (1996 ca. 2,50 DM). Kreditkarten,
Euroschecks und Geldautomat mit EC-Karte in allen größeren
Orten kein Problem.
Motorrad:
Auf der beschriebenen Tour waren wir mit einer BMW R 80 GS und
einer Suzuki LS 650 Savage unterwegs. Dabei erwies sich die Fahrt
mit dem Chopper auf den zumeist ziemlich holprigen irischen Nebenstraßen
als Härtetest für Gesäß und Wirbelsäule
- besser bedient ist man sicher mit einem Tourer mit ausreichend
Federweg, eine Reiseenduro scheint mir für diese Sträßchen
die optimale Wahl. An den Linksverkehr gewöhnt man sich ziemlich
schnell, aufpassen vor allem im Kreisverkehr! Das Tankstellennetz
ist recht dicht, Bleifrei überall zu haben.
Literatur und Karten:
Werner Halmert: Irland Reise-Handbuch aus der Reihe Reise Know-How; gewohnt fundiert und mit ausführlichen Tourenbeschreibungen.
Christoph Potting/Annette Weweler: Anders Reisen Irland; bietet wie von der Reihe Anders Reisen bekannt vor allem viele Hintergrundinformationen zu Geschichte, Politik und Gesellschaft.
Heinrich Böll: Irisches Tagebuch; ein Muß für Irlandfahrer!
Karte: Michelin Irland - mehr braucht es nicht.
Adressen:
Irische Fremdenverkehrszentrale, Untermainanlage 7, 60329 Frankfurt a.M., Tel. 069/236492.
Gaeltacht Irland Reisen (auf Irland spezialisiertes Reisebüro), Schwarzer Weg 25, 47447 Moers, Tel. 02841/35035.
Hier gibt es sieben weitere Fotos der Irlandreise