©Achim Lerch 1998.
Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de
Cevennen: Das wilde Hochland
"Mitten im August, wenn die größte Hitze des Tages
am Fuß der Felswände, in den Mulden der Hochebene und
inmitten der Kastanienwäldchen still steht, sieht man das
Elend der Dinge. (...) Schäfereien, am Boden zermalmt durch
das Gewicht riesiger Schieferziegel, auf die die Sonne herunterbrennt
und deren Trümmer wie Schulterblätter auf dem Boden
bleichen; eingestürzte Dächer, über schieferbesäten
Ruinen klaffend..." Jean Carrière beschreibt die verlassenen
Weiler in den einsamen Bergen der Cevennen schonungslos, und selbst
unter der Hitze leidend, empfinde auch ich die düstere und
trostlose Stimmung, die seinen Roman "Der Sperber von Maheux"
auf weiten Strecken durchzieht. Doch nur für einen Augenblick:
Schließlich bin ich im Urlaub, muß dieser Landschaft
nicht, wie die Figuren in Carrières Roman, mühsam
meinen Lebensunterhalt abringen und mich nicht von Kastaniensuppe
ernähren. Vielmehr kann ich die Einsamkeit, die in den Cevennen
herrscht, seit die meisten Kleinbauern das "Hochland"
verlassen haben, regelrecht genießen. Schließlich
tummeln sich um diese Jahreszeit überall sonst in Südfrankreich
die Touristen in Scharen. Hier aber kann man mit der Enduro auf
einsamen Sträßchen von Kurve zu Kurve schwingen und
den Gedanken freien Lauf lassen. Und die Hitze ist hier in den
Bergen unter dem schattigen Kronendach von Millionen von Kastanienbäumen
sehr viel erträglicher als in der Ebene. Nur gut, daß
unser Quartier in Saint Dézéry über einen eigenen
Swimmingpool verfügt: Er ist das erste Ziel an jedem Nachmittag.
Dabei ist es für mich durchaus ungewohnt, einen Motorradurlaub
nicht mit täglich wechselnden Übernachtungsplätzen,
sondern in einem festen Quartier zu verbringen. Doch besondere
"Umstände" erfordern ein Umdenken: Claudia hat
dieses Jahr einen kleinen Passagier zu transportieren, was mitunter
recht anstrengend sein kann. Und so haben wir uns für das
Motorradfahrerquartier "Les Olivettes" entschieden,
wo sie die Möglichkeit hat, den einen oder anderen Tag am
Pool zu pausieren, ohne daß ich auf den Kurvenrausch verzichten
muß. Diese Zugeständnisse waren im übrigen neben
der ärztlichen Absolution das Mindeste, um die angehenden
Großmütter zumindest annähernd mit dem Gedanken
an einen Motorradurlaub im sechsten Monat zu versöhnen. Um
die Anstrengungen für die werdende Mutter so gering wie möglich
zu halten, wählten wir bereits für die Anreise den bequemen
Weg mit dem Autoreisezug. Dieser hatte uns am frühen Morgen
im schon um diese Uhrzeit recht warmen Narbonne abgeliefert, von
wo wir dann zunächst die Nationalstraße über Bézieres
bis Pézenas nahmen. Kurz vor Montagnac konnten wir dann
endlich auf die D32 abbiegen und regelrecht aufatmen, als wir
in den Schatten der aus den Zeiten Napoleons stammenden Platanenalleen
gelangten. Bei Ganges erreichten wir dann den Südrand des
Cevennen-Nationalparks, der in den folgenden zwei Wochen unser
bevorzugtes Ziel sein sollte. Durchgeschwitzt und müde durch
die Klimaumstellung nach den sibirischen Temperaturen des deutschen
"Sommers", die uns noch am Vortag in den Fleece-Pullover
zwangen, erreichten wir schließlich unser Quartier in Saint
Dézéry, die Motorradfahrerherberge "Les Olivettes".
Karl-Heinz erkannte sofort die Lage und bat uns gleich zu einem
kühlen Begrüßungsschluck in die gemütliche
Wohnstube. Selbst begeisterter Motorradfahrer, war es schon immer
sein Traum, einmal anderen Motorradfahrern ein Quartier zu bieten,
und hier, in dem kleinen in einem Weinanbaugebiet gelegenen Dorf,
wurde er fündig. Gemeinsam mit seiner Frau Silvia und seinem
Vater Erwin hat er eine Ferienanlage erworben, liebevoll renoviert
und speziell auf die Bedürfnisse von Motorradfahrern abgestimmt.
Nachdem das hübsche, mit eigenem kleinen Vorgarten ausgestattete
Zimmer bezogen war, galt unser vordringlicher Gedanke dem schon
erwähnten Pool.
Der Ort Alès, heute südöstliches Einfallstor
für die Cevennen, war einst als Bergarbeiterstadt in ganz
Frankreich bekannt. Doch die Fördertürme, die an einigen
Stellen am Stadtrand noch zu sehen sind, stehen mittlerweile still.
Die Zeiten der Kohleförderung sind ebenso vorbei wie die
Blütezeit der Eisen-, Glas- und Maschinenindustrie in dem
41.000-Einwohnerstädtchen. Geblieben sind dagegen die tristen
Arbeitersiedlungen in den Vororten, die sehr an sozialistische
Plattenbauarchitektur erinnern. Nur einen Katzensprung von Alès
entfernt findet sich ein Kuriosum der besonderen Art: Der Kaufmann
und Asienreisende Eugène Mazel brachte 1855 einige Bambuspflanzen
der Spezies Phylostachus pubescens von seinen Reisen mit
in die Cevennen, woraus die in Europa einmalige "Bambuserie
de Prafrance" entstand. Auf 12 ha kann man die bis zu 35
m hohen Stangen des exotischen Gewächses bestaunen. Am Gardon
d´Anduze, der sich südlich von Alès mit dem Gardon
d´Alès zum Gardon vereinigt, um dann bei Tarascon
in die Rhône zu münden, tummeln sich an diesem Sonntag
die Badelustigen, und erst als wir von St. Jean du Gard eine kleine
Nebenstraße nach Lasalle einschlagen, genießen wir
wieder die cevennentypische Einsamkeit. Welch ein Kontrast dagegen
einen Tag später, als die Gorges de l´Ardeche unser
Ziel ist. Am Eingang der berühmten Schlucht bei Vallon Pont
d´Arc stauen sich bereits die Wohnmobile, und auf dem Fluß
sind die Kanus aneinandergereiht wie auf einer Perlenschnur. Zum
Glück wird der Verkehr auf der Straße sehr viel lichter,
als diese sich in die Höhe schraubt, um nicht mehr unten
am Fluß, sondern oben am Rand der steilen Felsabhänge
entlangzuführen. Immer wieder locken Aussichtspunkte, die
Kurvenhatz zu unterbrechen und grandiose Ausblicke zu genießen.
Bei St. Martin d´Ardeche verlassen wir dann die D 290 und
damit den Haupttouristenstrom, um über St. Paulet und St.
Laurent de Carnols zu den Cascades du Sautadet zu gelangen. Das
Wasser der Cèze hat hier im Laufe der Zeit imposante Kaskaden
und kleine Becken in den weichen Kalkstein geschliffen, die im
Sommer die Badenden scharenweise anziehen. Ganz Wagemutige lassen
sich dabei von den Stromschnellen halsbrecherisch zwischen den
Felswänden mitreißen. Nachdem wir dem Treiben eine
Weile mit den Füßen im kühlen Wasser zugesehen
haben, raffen wir uns irgendwann zur Weiterfahrt auf. Vorbei an
blühenden und duftenden Lavendelfeldern gelangen wir schließlich
über Lussan in das hübsche Uzès. Das erste Herzogtum
Frankreichs kündigt sich schon von weitem durch seine mittelalterlichen
Türme an, am bekanntesten der ein wenig an den Schiefen Turm
von Pisa erinnernde Tour Fenestrelle. Das Städtchen, dessen
Titel als Herzogtum aus dem Jahre 1565 datiert, wurde in den sechziger
Jahren dieses Jahrhunderts unter Denkmalschutz gestellt und aufwendig
restauriert. Wir beschließen nach dem ersten Augenschein,
am Samstag, dem Markttag in Uzès, zurückzukehren und
fahren für heute zurück nach St. Dézéry.
Dort wartet nach dem obligatorischen Sprung in den Pool wie jeden
Abend ein vorzügliches mehrgängiges Menü, das Silvia
ebenso liebevoll wie schmackhaft zubereitet. Gemeinsam mit den
anderen Gästen - allesamt Motorradfahrer - wird dann ganz
der französischen Lebensart entsprechend bis in die Nacht
getafelt, unterbrochen von anregenden Benzingesprächen und
dem einen oder anderen Pastis. Ob es nun die Hitze ist oder doch
die Nachwirkungen des abendlichen "Gelages" - jedenfalls
beschließt Claudia am nächsten Morgen, einen Pausentag
am Pool einzulegen. Mich hingegen zieht es nach dem reichlichen
Frühstücksbüffet, das mit seiner vielfältigen
Auswahl so gar nicht "typisch französisch" ist,
in den Motorradsattel. Noch bevor die Sonne die Luft richtig aufgeheizt
hat, erreiche ich bei Anduze die Cevennen mit ihren kühleren
und schattigen Höhen. Von St. Jean du Gard nehme ich die
kleine Straße auf den Col de l´Ascelier. Zum Glück
herrscht hier kaum Verkehr, denn Begegnungen in den engen Kurven
erfordern doch Konzentration. Kurz hinter der Paßhöhe
wird der Blick frei auf das typische Cevennenpanorama: Mit Kastanien
bewaldete Bergketten bis zum Horizont, dazwischen eingestreut
kleine Dörfer oder auch nur die halb verfallenen Dächer
verlassener Weiler. Die enge und kurvige D 152 führt weiter
zum Col de la Triballe, von wo ich die D 420 hinunter nach
Peyregrosse nehme. Auf der gut ausgebauten D 986 kann dann das
Tempo gesteigert und in ständig wechselnden Schräglagen
der Mont Aigoual erklommen werden. Der mit 1567 Metern höchste
Berg der Cevennen ist mit seiner phantastischen Aussicht ein touristischer
Anziehungspunkt erster Güte, obendrein beherbergt er ein
Observatorium von Meteo France. Schon 1887 wurde die Wetterstation
errichtet, als Wasserscheide zwischen mediterranen und ozeanischen
Wettereinflüssen ist das Massif des Mont Aigoual aus Sicht
der Meteorologen ein idealer Ort dafür. Nur schwer kann ich
mich von dem Panorama losreißen, doch werde ich sofort entschädigt:
Die D 48 hinunter nach le Vigan ist ein absoluter fahrerischer
Leckerbissen mit nicht enden wollenden Kurvenkombinationen. Einzig
der reichlich verstreute Rollsplitt trübt den Genuß,
mahnt, nicht zu übermütig zu werden. Ich bleibe auf
der D 48, die sich hinter le Vigan zunächst nach Montdardier
hinaufschraubt, bis le Cros auf der Hochebene verläuft, um
sich dann spektakulär nach Madière hinunterzuwinden,
wobei sie auf kürzester Strecke ca. 400 Höhenmeter überwindet.
An der Vis entlang führt mich dann die D 25 nach Ganges,
und über St. Hippolyte du Fort geht es zurück nach Les
Olivettes, wo der Pool bereits wartet.
Historiker sind sich bis heute nicht einig, ob es Kaiser Claudius
40 bis 60 n. Chr. war, oder doch schon Augustus´ Schwiegersohn
Agrippa 19 n. Chr., der den imposanten Aquädukt über
den Gardon bauen ließ. So oder so ist der Pont du Gard,
der mit einer Spannweite von 275 Metern den Fluß in 49 Meter
Höhe überspannt, eines der besterhaltenen römischen
Bauwerke. Der Aquädukt war einst Teil einer 50 Km langen
Wasserleitung, die die Kolonie Nîmes von Uzès aus
mit Wasser versorgte. Wir zollen dem Bauwerk respektive seinen
Bauherren den gebührenden Respekt, und ich überlege
angestrengt, wie ich wohl die Enduro für ein Foto auf die
oberste der drei Bogenreihen bekomme. Doch jetzt im Sommer, wo
die meisten der jährlich rund 2 Millionen Besucher am Pont
du Gard versammelt sind, ist dieses Vorhaben von vornherein zum
Scheitern verurteilt. Selbst die untere Brücke, die normalerweise
für den Verkehr freigegeben ist, ist im Juli und August gesperrt.
Wir lassen uns also schließlich auf kleinen Sträßchen
über Cabrières, Poulx, Pont St. Nicolas, Ste. Anastasie
und St. Chaptes zurück in unser Quartier treiben. Am nächsten
Tag stehen dann die Kurven des nördlichen Cevennen-Nationalparks
auf dem Programm. Über Alès gelangen wir in endlosen
Windungen auf der D 906 über Genolhac nach Villefort, wo
wir nach einem Abstecher an den gleichnamigen Stausee eine ausgiebige
Mittagspause in einem der Straßencafés einlegen.
Am Col du Mas de l´Air genießen wir anschließend
die herrliche Aussicht, um kurz danach auf die kleine D 155 nach
Brésis abzubiegen. Bei St. Ambroix lassen wir die schattigen
Cevennen hinter uns, und nur die Vorfreude auf ein kühles
Bad hält uns bei zunehmender Hitze bei Laune - ein Thermometer
an der Straße zeigt 34 Grad.
Am Abend kommen Claudia und Arend an, die auf der Durchreise in
die Pyrenäen sind und mit denen wir uns hier in Les Olivettes
verabredet hatten. Beide Claudias sind froh, einen Tag am Pool
verbringen zu können, was Arend und mir Gelegenheit zu einer
großen Runde durch die westlichen Cevennen, die Dourbie-
und die Tarnschlucht gibt. Dabei ist der Canyon de la Dourbie
nur der sanfte Auftakt für die grandiose Gorges du Tarn.
Bis zu 500 Meter tief hat der Tarn sich in den weichen Kalkstein
der Hochebenen eingegraben und damit eines der größten
Naturwunder Frankreichs geschaffen. Wer möchte, kann ebenso
wie an der Ardeche ein Kanu mieten und die Schlucht direkt vom
Fluß aus bewundern, doch ist der August dafür ein denkbar
schlechter Monat. Denn in einem endlosen Stau den Hunderten anderer
Booten hinterherzupaddeln, ist vermutlich kein allzu großes
Vergnügen. Die Idylle der Szenerie bleibt dabei sicher auf
der Strecke. Da macht es uns schon mehr Spaß, mit den Motorrädern
direkt am Ufer durch Tunnels und unter Felsüberhängen
entlangzuschwingen. Der Verkehr auf der Anfang des Jahrhunderts
erbauten Straße hält sich an diesem Vormittag in Grenzen
und erlaubt so entspanntes Fahren und den Blick für die Landschaft.
Die Tarnschlucht trennt die beiden großen Hochebenen Causse
de Sauveterre und Causse Méjean, gewaltige Kalkhochflächen,
die sich wie Tafelberge mit teilweise senkrechten Wänden
von den überwiegend aus Schiefergestein bestehenden Cevennen
abheben. Hinter Ste. Enimie, dem nordöstlichen Ende der Gorges
du Tarn, biegen wir bei Montbrun auf ein kleines Sträßchen
ab, das sich schwindelerregend in engen Kehren auf die Causse
Méjean hinaufwindet. Oben angekommen meint man, in eine
andere Welt geraten zu sein. Nach der Enge der Schluchten erwartet
einen hier oben die schier endlose Weite einer nahezu baumlosen
Hochebene, die auf etwa 1000 Meter Meereshöhe durch extreme
Klimaunterschiede gekennzeichnet ist: Heiße Sommer, in denen
die Sonne gnadenlos auf die schattenlose Ebene brennt, wechseln
sich mit kalten, schneereichen Wintern ab, in denen eisige Stürme
über die Causse hinwegfegen. Mit etwas Glück kann man
hier oben noch Geier beobachten, die über der Ebene kreisen.
Wir erreichen die D 16, die die Hochebene von West nach Ost durchquert,
und gelangen an die östliche Abbruchkante der Causse, von
wo wir den herrlichen Blick auf das im Tal liegende Florac genießen,
bevor wir die Abfahrt Kehre um Kehre in Angriff nehmen. Der hübsche
Ort Florac wurde aufgrund seiner zentralen Lage zum Verwaltungssitz
des Cevennen-Nationalparks gemacht und ist unter anderem Ausgangspunkt
für eine ganz besondere Straße: Die Corniche des Cévennes.
Als Höhen-Kammstraße führt die Corniche von Florac
über den Col des Faisses, den Col de Solpérière,
Col de l´Exil und Col de St. Pierre nach St. Jean du Gard,
erfüllt dabei auf gut 50 Kilometern Motorradfahrerträume
am laufenden Band.
Der nächste Tag ist Samstag, Zeit, unser Versprechen einzulösen
und dem Markt von Uzès einen Besuch abzustatten. Gemeinsam
mit Claudia und Arend schlendern wir durch die alten Gassen, genießen
die ansprechend restaurierte mittelalterliche Architektur und
das mediterrane Flair des Städtchens gleichermaßen,
ruhen die müden Füße in einem der Straßencafés
aus, beobachten dabei das bunte Markttreiben - Savoir Vivre! Am
nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen - unsere beiden
Besucher zieht es weiter in die Pyrenäen. Wir statten an
diesem Tag dem Mont Bouquet einen Besuch ab und beobachten die
Gleitschirmflieger bei ihrem abenteuerlichen Treiben. Zwei weitere
Naturschauspiele stehen dann einen Tag später an: Zunächst
bewundern wir die Cirques de Navacelles, die Flußschleife,
die die Vis spektakulär in den Kalkstein gefressen hat, wobei
sie sich im Laufe der Zeit selbst das Wasser abgrub. Danach treten
wir in die unterirdische Welt der Grotte des Demoiselles ein,
nur eine der vielen Tropfsteinhöhlen in den Cevennen, aber
sicher eine der beeindruckendsten. Eine regelrechte Kathedrale
von 150 Metern Länge, 80 Metern Breite und 50 Metern Höhe
tut sich als Höhepunkt der Besichtigungstour für den
Betrachter auf und läßt die mühsame Kletterei
über Hunderte von Treppenstufen vergessen.
Ein regelrechtes Kontrastprogramm zu den Höhenzügen,
Schluchten und Tälern der Cevennen bietet die Camargue, von
St. Dézéry ebenfalls rasch zu erreichen. Zwar bieten
die überwiegend geraden Straßen keinen Kurvenspaß,
doch weiß die eigentümliche Landschaft, halb Meer,
halb Land, ebenso zu beeindrucken wie ihre typischen Bewohner:
Die weißen Pferde, schwarzen Stiere und rosafarbenen Flamingos.
Erinnerungen werden wach an meine erste Begegnung mit der Camargue
vor sieben Jahren: Nach einer Nacht am Strand in der Nähe
der Zigeunersiedlung Beauduc ergab sich bei der Weiterfahrt am
frühen Morgen ein unvergeßlicher Anblick: Vom Motorengeräusch
geweckt, erhoben sich direkt vor uns Dutzende Flamingos aus dem
Etang du Grand Rascaillan, und flogen direkt in die glutrot aufgehende
Sonne. Die Szene hatte mich damals derart in ihren Bann geschlagen,
daß ich beinah von dem sandigen Fahrdamm ins salzige Wasser
gestürzt wäre. Ganz so spektakulär ist der Anblick
an diesem Tag nicht - die Exemplare des mit den Gänsevögeln
verwandten Phoenicopterus ruber, die wir heute im seichten
Wasser der Etangs stehen sehen, nehmen keinerlei Notiz von uns
oder unseren Motorrädern. Am nächsten Morgen entscheidet
sich Claudia, noch einen Pausentag einzulegen, und ich breche
mit Bernd, der mit seiner R 100 GS ebenfalls Gast in Les Olivettes
ist, zu einem letzten Abstecher in die Cevennen auf. Dabei haben
wir uns vorgenommen, nach unbefestigten Wegen Ausschau zu halten,
um den Enduros etwas Staub zu verschaffen. Bei der Suche nach
derartigem Offroad-Vergnügen sollte man im Nationalpark tunlichst
etwaige Sperrschilder respektieren, es gibt auch so noch genügend
Möglichkeiten, z.B. in Form der eigens zur Brandbekämpfung
angelegten Forstwege, die mit ihrem teilweise tiefsandigen Untergrund
auch erheblichen Fahrspaß mit sich bringen. Schon beim Abendessen
an diesem Tag kommt dann regelrechte Abschiedsstimmung auf, und
als wir am nächsten Morgen tatsächlich die Motorräder
gepackt haben und Silvia, Erwin und Karl-Heinz zum Abschied winken,
haben wir wirklich das Gefühl, Urlaub bei Freunden verbracht
zu haben, wie es im Prospekt der Motorradherberge heißt.
Achim Lerch