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Und der Spaß fängt gleich am Ortsausgangsschild an: statt öder Autobahn führt mich ein gewundenes Sträßchen durch den Kaufunger Wald ins thüringische Eichsfeld. Die herbstliche Farbenpracht lässt sich zwar schon erahnen, doch wirkt sie im dunstigen Licht morgendlicher Hochnebelfelder noch blass. Es dauert an diesem Tag, bis die Sonne die letzten Nebelfetzen vertrieben hat, inzwischen habe ich den Naturpark Hainich (und damit mein erweitertes Heimatrevier) hinter mir gelassen und bin hinter Eisenach in den Thüringer Wald eingedrungen. Die Wartburg bleibt heute rechts liegen, dient dieses mal nur als malerische Kulisse. Nach der Drachenschlucht geht es hinauf nach Ruhla, mittlerweile leuchtet das Laub bunt in der Sonne. Es folgt ein rauschhafter Kurventanz, der grob dem Höhenzug des Thüringer Waldes nach Südosten folgt, dabei immer wieder den Rennsteig kreuzt, mal durch enge Täler (wie bei Zella-Mehlis), mal über zugige Höhen (wie bei Oberhof) führt. Etwa ab Beginn des Schwarzatales heißt der Tanzpartner dann Thüringer Schiefergebirge; die Landschaft wird noch spektakulärer, die Häuser haben jetzt nicht mehr nur Schieferdächer, sondern sind zumeist gänzlich mit Schiefer verkleidet. Nach 365 Kilometern bette ich mein Haupt im hübschen Leutenberg im Hotel Sormitzblick. Es sei an dieser Stelle dem müden und hungrigen Kradisten wärmstens empfohlen: ein Haus, dass wirklich für Motorradfahrer gemacht ist, der Stil und das Ambiente erinnern an die Villa Löwenherz, den Ursprung aller Kradler-Hotels (www.sormitzblick.de). Ob das Köstritzer am Abend deshalb so gut schmeckt, weil es stilvoll durch den Motor einer R 90 S ins Glas gelaufen ist?
Die ursprünglich grauen Schieferdächer in Leutenberg, auf die ich am nächsten Morgen vom Zimmerfenster hinabblicke, sind weiß gezuckert. Tatsächlich zeigt das Thermometer -2 Grad. Im Sormitztal duckt sich die Kälte, die Wiesen links und rechts der Straße sind vom Rauhreif überzogen, während auf den Höhen die Sonne bereits das Laub zum Leuchten bringt. Motor und Fahrer schütteln sich langsam warm auf dem Weg nach Wurzbach. Hier ist man mitten im Naturpark Thüringer Schiefergebrige/Obere Saale, den Saale-Stausee trifft man bei Saalburg. Heute ist mein „Klassik-Tag“, drum gibt es zunächst für einen Abstecher nach Schleiz, zum klassischen „Schleizer Dreieck“, Rennstrecke mit Tradition seit 1923. Ein wenig Rennatmosphäre schnuppern, in gewagter Schräglage an den leeren Tribünen vorbei sausen, man meint an Start und Ziel den Ringsprecher zu vernehmen…Zurück zur Saale und nach Schloss Burgk, welches erhaben über dem Fluss thront, weiter über Remptendorf nach Ziegenrück. Dortselbst ein Flusswehr, eine Hotelterasse, den Rücken zur Wand, die Sonne im Gesicht, den Cappuccinoduft in der Nase. Ach, Augenblick, verweile doch! Du bist so schön!
Schön ist auch die Strecke, die mich zum zweiten Klassik-Teil des Tages führt: durchs Thüringer Holzland über Orlamünde, Reinstädt und Magdala nach Weimar. Es muss heute eine Stadtrundfahrt per Krad genügen, ein paar flüchtige Eindrücke des imposanten, frisch herausgeputzten Ensembles dieser Wiege der Deutschen Klassik. Für einen ausgedehnten Stadtbummel mit Besichtigung der Highlights fehlt mir sowohl die Zeit als auch angemessenes Schuhwerk. Immerhin reicht´s, um in einer kleinen Buchhandlung eine bestimmte Faustausgabe zu erstehen – direkt an der Quelle, gewissermaßen. Bad Berka, Stadtilm, die Klosterruine in Paulinzella sind Stationen auf dem Rückweg, der mich bei Schwarzburg wieder ins Schwarzatal führt. Selbiges verlasse ich aber gleich wieder in Richtung Oberweissbach. Feinstes Kurvenvergnügen auf nagelneuem, griffigen Asphalt (da zahlt man seinen Soli beinah gerne) gibt es zwischen Pisau und Gräfenthal, herrliche Ausblicke vom Höhenzug, über den die Straße durch Lehesten, Lichtentanne und Schweinbach wieder nach Leutenberg führt. Das Köstritzer schmeckt nach 356 km genauso gut wie am Vorabend.
Wieder sind die Dächer morgens weiß, doch ist das Thermometer gnädig und zeigt gerade Null Grad an. Der Abstieg von gestern wird heute zum Aufstieg: nach Schweinbach, dann wieder hinunter nach Probstzella. In Lauscha fordert eine Baustelle in Verbindung mit der Unlust, die lange Umleitung zu befahren, den ganzen Endurofahrer, danach ist jenem zumindest etwas wärmer. Aus dem Schiefergebirge ist wieder der Thüringer Wald geworden, auf den ich vom großen Inselberg noch einmal ausgiebig hinunterschaue und der später wieder von Hainich und Eichsfeld abgelöst wird. Hinter Creuzburg verlasse ich den Asphalt, die Nachmittagssonne lässt das bunte Herbstlaub noch einmal kräftig leuchten, bescheint zugleich die milchige Staubfahne, die ich auf meinen Schotterhausstrecken hinter mir herziehe und die dann vom leichten Wind verweht wird, gerade so wie die kommenden Herbststürme schon bald die letzten Blätter von den Bäumen wehen werden. Doch der Winter mag ruhig kommen, mir ist nicht mehr bange. Die Seele ist übervoll nach diesen drei güldenen Oktobertagen, Stoff genug, um an langen Winterabenden davon zu zehren.