©Achim Lerch 1998.
Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de
Von Glens und Clans...
"...Ich fahr mit Dir nach Gretna Green" - Marius Müller-Westernhagen
klingt leise in meinem Kopf, als wir die Motorräder vor der
berühmten Hochzeitsschmiede im schottischen Grenzörtchen
Gretna Green abstellen. Einst Anziehungspunkt für kurzentschlossene
Heiratswillige, die die höhere Altersgrenze im benachbarten
England oder anderswo nicht abwarten wollten, ist der weltberühmte
Ort heute kaum noch mehr als ein Touristennepp mit Souvenierladen.
So halten wir uns auch gar nicht lange auf, schließlich
zieht es uns aus ganz anderen Gründen nach Schottland - allen
voran die rauhe Landschaft auf den Hebriden und in den Highlands.
Wir suchen dieses "typische" Schottland, wie es vor
allem in den Liedern von Robert Burns vielfach besungen wurde.
In Dumfries, das wir auf dem Weg nach Glasgow passieren, befindet
sich das Grab dieses schottischen Nationalbarden, der hier die
letzten fünf Jahre seines Lebens verbrachte. Burns´
Liedtext "My heart is in the highlands" gilt bis heute
als Inbegriff schottischen Nationalgefühls. Zu Schottland
gehören aber auch die unzähligen Burgen und Schlösser,
von denen wir einen ersten Eindruck am Drumlanrig Castle erhalten,
wo uns im riesigen Park Fasane vors Vorderrad laufen. Eine ganz
andere Seite Schottlands wird dagegen in Glasgow sichtbar, wo
in zweierlei Hinsicht die Wurzeln für die heutigen Industriegesellschaften
liegen: James Watt erfand hier 1764 die Dampfmaschine und der
Begründer der "Nationalökonomie", Adam Smith,
studierte hier und wirkte lange Jahre als Professor. Die Metropole
mag ihre Reize haben, doch uns erscheint sie an diesem regnerischen
Herbsttag nur als triste Industriestadt, die wir schnell abhaken,
um uns Quartier am Loch Lomond zu suchen. Der größte
Binnensee Großbritanniens gefällt uns schon viel besser,
auch wenn die Übernachtungspreise am Seeufer den üblichen
Aufschlag für touristisch besonders attraktive Orte enthalten.
Bereits Theodor Fontane bemerkte zum Loch Lomond, er sei "eine
schöne und noble Wasserfläche, und es kommt ihm zu,
daß er ´Der König der Seen´ heißt".
Am nächsten Morgen ist der Himmel wieder blau, aber es ist
bitterkalt und auf den Gipfeln des Liathach-Gebirgszuges liegt
der erste Schnee. Unser Weg führt uns durch das Glen Torridon,
linkerhand begrenzt durch die Liathach-Berge, rechterhand durch
mit blühendem Heidekraut überzogene Moorlandschaft.
Je weiter wir schließlich nach Norden kommen, desto karger
wird die Hochland-Landschaft und der Blick fällt auf die
1100 Meter hohen schneebedeckten Gipfel des Sgurr Mór und
des Beinn Dearg, bis kurz nach der Einmündung in die A 855
linkerhand die Corrieshalloch Gorge mit den Falls of Measach liegt.
Nachdem uns hier nochmal ein kräftiger Regenschauer kalt
erwischt, können wir nach der Besichtigung des Wasserfalls
die letzten zwölf Meilen bis Ullapool im Trockenen fahren.
Für die meisten Touristen ist dieser für seinen Fischereihafen
bekannte Ort der nördlichste Punkt der Reise, wir fahren
allerdings am nächsten Tag weiter zur Nordspitze Schottlands
- nicht ohne einen Umweg einzuschlagen, der fahrerischen wie landschaftlichen
Hochgenuß verspricht: Kurz hinter der Ruine des Ardvreck
Castle, die malerisch im Loch Assynt liegt, zweigt die Straße
nach Lochinver ab, von wo dann die "Coastal Road" als
herrliche Berg- und Talbahn mit bis zu 25% Steigung und Gefälle
über Drumbeg nach Unapool führt.
Achim Lerch
Für uns geht der Weg weiter am Ufer des Loch Lomond entlang,
bis die Straße hinter Tarbet in den Argyll-Forest-Park
führt, der mit seinen hohen Farnen und den bemoosten oder
efeuumrankten Bäumen wie ein verwunschener Zauberwald anmutet.
Nach einem Besuch am Inverary Castle mit seinen charakteristischen
runden Ecktürmen erreichen wir die Halbinsel Kintyre - Marius
ist in meinem Kopf längst Paul McCartny gewichen, und sein
"Mull of Kintyre" vor mich hin summend steuern wir gen
Süden. Bei einer kurzen Rast passiert es dann: Beim Wenden
kippt Claudias Dominator und entledigt sich dabei des größeren
Teils ihres Bremshebels. Wir verzichten schweren Herzens auf den
so schön besungenen Felsen an der Südspitze der Halbinsel
und steuern direkt Oban an, wo es nach Auskunft eines einheimischen
Bikers eine Hondawerkstatt geben soll. Für den einen Tag
Zwangspause ist die hübsche Hafenstadt Oban der geeignete
Ort, und im Gegensatz zu Fontane im Jahr 1858 finden wir auch
auf Anhieb ein angemessenes Quartier mit Blick auf die Bucht.
Den nächsten Tag nutzen wir dann für eine Rundfahrt,
die gleich mehrere Attraktionen beinhaltet: Über den Pass
of Brander, Glen Awe und Glen Lochy geht es durch das Rannoch-Moor,
laut Reiseführer das "dunkelste und einsamste Moor Schottlands".
Im weiteren Verlauf erreicht die A 82 schließlich das berühmte
Glen Coe, das uns stimmungsvoll mit einem Regenbogen empfängt.
Dieses Tal mit den beiderseits aufragenden Felswänden war
einst Schauplatz für eine englische Schandtat, die so manchen
Schotten noch heute zu erzürnen vermag:
Um ein Exempel an den widerspenstigen McDonalds of Glen Coe zu
statuieren, marschierte im Jahr 1692 Captain Robert Campbell of
Glenlyon auf Befehl des englischen Schottland-Ministers mit 120
seiner Clansmen nach Glen Coe und gab vor, Quartier zu suchen.
Fast zwei Wochen waren die Campbells Gäste der McDonalds,
als sie am Ende einer gemeinsam durchzechten Nacht Männer,
Frauen und Kinder aus den Betten zerrten und ermordeten. Wer entkommen
konnte, starb in dem draußen tobenden Schneesturm. Das schlimmste
an dieser ruchlosen Tat ist aus schottischer Sicht der Bruch der
Gastfreundschaft, der Name Campbell ist noch heute unbeliebt.
Da der bestellte Bremshebel erst nachmittags eintrifft, haben
wir auch am nächsten Tag noch Zeit für eine weitere
Rundfahrt, die uns entlang des Südufers des Loch Awe durch
den urwüchsigen Eredine Forest und schließlich in das
liebliche Hochtal Glen Lonan führt. An dessen westlichen
Ende, kurz vor Oban, liegt der "Rare Breeds Farm Park",
in dem eine Tierärztin seltene Haus- und Nutztierrassen vor
dem Aussterben zu bewahren sucht. Die Tiere freuen sich sichtlich
über jeden Besucher, jedenfalls dann, wenn diese vorher eine
Tüte mit Futter erstanden haben. Zurück in Oban wird
noch flugs der pünktlich eingetroffene Bremshebel montiert,
und wir können unsere Fahrt fortsetzen, deren nächstes
Ziel die Hebrideninsel Skye ist. Seit dem Bau der Brücke
zwischen Kyle of Lochalsh und Kyleakin ist es strenggenommen mit
der Insellage vorbei, was einige Schotten, wie wir im Laufe der
Reise erfuhren, eher unpassend finden. Wir beschließen,
uns stilvoll zu nähern und biegen nach der Fahrt durch das
Glen Shiel bei Shielbridge ab auf eine kleine Single-Track Road,
die über einen Paß nach Galtair führt. Von dort
fährt eine sehr eigenwillige Fähre nach Kylerhea auf
Skye: Auf dem Vorschiff befindet sich eine Art Käfig, der
drehbar gelagert ist. Das Schiff macht längsseits der Mole
fest und der gesamte Käfig samt Fahrzeugen wird seitlich
zum Kai geschwenkt. Nachdem die neuen Fahrzeuge an Bord sind,
wird der Käfig um 180 Grad gedreht, so daß man vorwärts
wieder herunter fahren kann. Die Überfahrt selbst ist ausgesprochen
stürmisch und wir haben große Mühe, die Motorräder
am Umfallen zu hindern.
Mit dem Wechselgeld überreicht mir der Fährmann einen
kleinen Zettel, auf dem Richard für seine "Accomodation
for Biker" wirbt. Das und der günstige Preis gefallen
uns, und wir steuern Waterloo bei Broadford an. Richard selbst
ist noch an der Arbeit, doch seine im Nachbarhaus wohnende Mutter
hört uns kommen, zeigt uns das Zimmer und versorgt uns sofort
mit Tee und Gebäck. Nachdem wir dieses neben der halb zerlegten
Yamaha in der gemütlichen Küche genossen und das Gepäck
abgeladen haben, starten wir angesichts der noch frühen Tageszeit
noch zu einem lohnenden Abstecher nach Elgol. Erste Station unserer
Inselrundfahrt, zu der wir einen Tag später aufbrechen, ist
das "Skye-Croft-House", ein altes Cottage, das so wieder
aufgebaut wurde, wie die Häuser noch zu der Zeit ausgesehen
haben müssen, als Samuel Johnson auf seiner berühmten
Reise "zu den Hebriden" im Jahre 1773 hier vorbei kam.
Der Inselhauptort Portree lädt ein zu heißer Schokolade
und zu einem Foto der hübschen Hafenpromenade, dann wartet
schon der "Old Man of Storr", eine imposante Felsspitze
im Norden der Insel. Statt der Küstenstraße sollte
man für die Weiterfahrt bei schönem Wetter die Bergstraße
durch die Quiraings nehmen, nach einigen Kehren wird man mit einem
herrlichen Ausblick über die Nordspitze der Insel belohnt.
Am Dunvegan-Castle, das wir wenig später erreichen, verlangt
man stolze 4 Pfund 80 Eintritt - da der Anblick vom Meer aus ohnehin
imposanter sein soll, verzichten wir für heute und steuern
von einem Regenbogen geleitet wieder Richtung Süden.
Das malerische Eilean Donan Castle gilt spätestens seit dem
Film "Highlander" als das meistfotografierte Schloß
Schottlands, seine Lage im Loch Duich ist aber auch wirklich fotogen.
Wir haben Glück und können den trutzigen Bau ablichten,
als gerade ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen schüchtern
durch den sonst heute eher wolkenverhangenen Himmel lugen. "Steigung
bis 25%, enge Haarnadelkurven, für Fahranfänger und
große Fahrzeuge ungeeignet, bei Wind unpassierbar!"
So warnt sinngemäß ein großes Schild an der Abzweigung
zur "Applecross-Road", zweifellos ein fahrerisches und
landschaftliches Highlight in Schottland! Bietet die Auffahrt
für uns noch herrliche Ausblicke zurück auf die Bucht
von Loch Kishorn und Loch Carron, wird das Wetter bei der Abfahrt
nach dem Paß Bealach-na Bo immer schlechter. Regen und
Kälte trüben den Genuß der herrlichen Streckenführung
entlang des Loch Torridon, mit klammen Fingern und Füßen
sehnen wir den Ort Shieldaig regelrecht herbei. Dort hat das Rivendell-Guesthouse
genau die richtige Unterkunft nach diesem Tag: Für 15 Pfund
gibt es eine eigene kleine zweistöckige Wohnung: Unten Wohnzimmer
mit Kamin, Stereoanlage und Küchenzeile, oben Schlafzimmer
und Dusche/WC. Der Hausherr stellt uns noch gleich einen Elektroofen
bereit, vor dem die nassen Sachen ausgebreitet werden. Wir genießen
einen gemütlichen Abend vor dem Kamin, während draußen
der Sturm gegen die Tür peitscht.
Quartier finden wir in Durness im "West-End-Guesthouse",
wobei das "End" im Namen wohl das nahe Ende dieses Etablissements
andeuten soll - wahrlich nicht zu empfehlen! Hier in Durness gibt
es übrigens die "Smoo Cave" zu bestaunen: Direkt
neben der Straße verschwindet ein kleiner Fluß plötzlich
im Erdboden, um sich in einem tosenden Wasserfall in die Höhle
zu ergießen, die schon Piraten und Schmugglern als Unterschlupf
gedient haben soll. Vor dem Abendessen sitzen wir schließlich
noch eine ganze Weile an den Klippen und beobachten das Meer wie
es Welle für Welle mit Gewalt gegen die Küste tost.
Was wir noch nicht ahnen: Der kräftige Wind ist nur ein Vorbote
für den Sturm, der am nächsten Morgen tobt und der uns
mehrfach beinah und Claudia einmal tatsächlich von der Straße
weht. Zum Glück kann sie die Situation meistern und einen
Sturz verhindern. Selbst im Stand ist das Motorrad angesichts
dieser Naturgewalt kaum zu halten, und wir sind froh, als wir
nach langer kräftezehrender Fahrt bei Lairg auf die A 839
abbiegen und in den Windschatten einer Hügelkette gelangen.
Das Kulturprogramm für diesen Tag sieht noch einen Abstecher
zum Dunrobin Castle vor: Der Stammsitz der Sutherlands verdankt
seine sogar von Königin Victoria beneidete Pracht den sogenannten
"clearances" des 19. Jahrhunderts: Damals wurden die
Pächter brutal von ihrem agrarisch genutzten Land vertrieben,
um Platz für die profitablere Schafzucht zu schaffen.
An den Shin-Falls versetzen uns dann am nächsten Tag die
Lachse, die man normalerweise hier springen sehen kann, und auch
Nessie läßt sich später am Loch Ness nicht blicken.
Vorbei an der Ruine des Urquhart Castle fahren wir weiter nach
Inverness, "Hauptstadt der Highlands" und Schauplatz
eines berühmten Königsmordes. Nach Shakespeare soll
hier einst Macbeth Duncan gemeuchelt haben, was ganz unpoetische
Historiker allerdings bestreiten. Auch Cawdor Castle, dem wir
einen Besuch abstatten, wird als Tatort gehandelt - dummerweise
wurde es aber erst 300 Jahre nach der Tat erbaut. Für die
meisten Schotten, aber vor allem auch für Amerikaner mit
schottischen Vorfahren, ist die Besichtigung des Schlachtfeldes
im Culloden Moor vor den Toren von Inverness ein Muß. Hier
erlitten die Clans die letzte und entscheidende Niederlage gegen
die Engländer, und das gerade in diesen Tagen stattfindende
Referendum, welches den Schotten wieder ein eigenes Parlament
mit durchaus nicht unerheblichen Befugnissen beschert, mag da
manchen nur eine kleine Genugtuung sein.
Die Strecke entlang des River Spey bietet einen besonderen Anblick:
Hunderte von jungen Fasanen, die einem ständig vors Vorderrad
laufen und zu gemäßigter Fahrweise mahnen. Kurz danach
beginnt eine besondere schottische Straße, der "Malt-Whisky-Trail".
Dutzende Destillerien finden sich in einem Umkreis von wenigen
Meilen. In mindestens einer sollte man schon reinschauen und sich
über eine ganz besondere Veredelungsform von Gerste informieren.
Ein Schluck echten Single-Malts gehört bei den meisten dazu.
Wer tiefer in die Geheimnisse und vor allem geschmacklichen Unterschiede
der verschiedenen Brennereien eindringen möchte, der sollte
tunlichst das Motorrad stehen lassen und sich einem Bus anvertrauen.
Dann kann man auch getrost die schottische Regel beachten: "Trinke
niemals Whisky mit Wasser, und niemals Wasser ohne Whisky!"
Ein Nagel im Hinterreifen der GS zwingt uns schneller nach Aberdeen
als geplant, wir finden einen Reifenhändler und ich ersetze
den ohnehin ziemlich abgefahrenen Pneu. Zur Übernachtung
steuern wir das hübsch gelegene Stonehaven an. Nur wenig
entfernt liegt malerisch auf einem ins Meer ragenden Felsen die
Ruine des Dunnottar-Castle, der wir einen kurzen Besuch abstatten.
Sehr viel besser erhalten ist das Crathes Castle, das wir kurze
Zeit später besichtigen. Beeindruckend hier vor allem die
alten, sehr aufwendig gearbeiteten Holzdecken und der liebevoll
gestaltete Garten. Eine Besichtigung von Balmoral-Castle entfällt,
da sich die Queen gerade in ihrem Sommersitz aufhält, und
auch beim Braemar Castle müssen wir uns mit einem Blick von
außen begnügen, da das Schloß an diesem Freitag
geschlossen ist. Unterkunft finden wir im gleichnamigen Ort in
der Clunie Lodge, einer schönen alten Villa inmitten eines
kleinen Parks. Die Lage Braemars am Nordrand der rauhen Grampian-Berge
bekommen wir am nächsten Morgen zu spüren: Eine glitzernde
Eisschicht überzieht die Sitzbänke unserer Motorräder,
den herrlichen Anblick der ebenso reifbedeckten Heidelandschaft
können wir dann bei der Fahrt durch die Grampians wegen der
Eiseskälte kaum genießen. Die Skilifte, die wir am
Devils Ellbow passieren, müssen wohl nicht mehr allzu lange
auf ihre Wiedererweckung warten. Ein wenig können wir Fontane
verstehen, dem die Grampians bei seiner Reise als menschenfeindliche
Einöde erschienen, doch bei der anschließenden Fahrt
durch das Glen Shee verliert die A 93 stetig an Höhe und
mit jedem Meter wird es wärmer, die Landschaft lieblicher.
Nachdem ein Quartier in Pitlochry gefunden ist, machen wir am
späten Nachmittag noch einen Abstecher über den berühmten
Pass of Killicrankie zum Blair Castle. Durch das Glen Errochty
über Tummel Bridge geht es dann am Loch Tummel vorbei zum
"Queens View", einem Aussichtpunkt über dem See,
der schon Queen Victoria begeisterte und seither seinen Namen
trägt. Unsere Rundfahrt am nächsten Tag führt uns
zum Trossachs Trail und zum Loch Katrine. Sir Walter Scott siedelte
hier seinen Roman "Lady of the Lake" an, was sowohl
ihm selbst als auch dem See zu Weltruhm verhalf. Eher unfreiwillig
ist dann am nächsten Tag unser Abstecher nach Buckhaven.
Hier gibt es einen Hondahändler, den wir dringend brauchen:
Diesmal hat der Schalthebel den Geist aufgegeben, sich aller Zähne
entledigt. Statt die Gänge zu wechseln, rutscht der Hebel
nur noch auf der Welle hin und her. Die Wartezeit verkürzen
wir mit einer Rundfahrt durch die Grafschaft Five. Der malerische,
eher mediterran anmutende Hafen von Elie, die Golfhauptstadt
St. Andrews und der geschichtsträchtige Loch Leven mit Loch
Leven Castle stehen auf dem Programm. Maria Stuart wurde hier
gefangen gehalten, bis ihr am 2. Mai 1568 die Flucht gelang. Vor
ihrer späteren Enthauptung rettete sie dies allerdings nicht.
Unsere Probleme an diesem Tag sind da profaner, und dementsprechend
leichter zu lösen: Da der bestellte Schalthebel noch nicht
eingetroffen ist, wird einfach das passende Pendant einer nagelneuen
SLR aus dem Schaufenster genommen, damit wir unsere Fahrt nach
Edinburgh fortsetzen können.
Eine gewaltige Brücke bringt uns über den Firth of Forth
in das "Athen des Nordens", wie Edinburgh zu Zeiten
der Aufklärung genannt wurde. Die Mischung aus historischer
Altstadt und gregorianischer "Neustadt" verleiht der
Metropole in der Tat ein besonderes Flair, das sicher eine eigene
Reise wert ist. Angesichts des nahenden Urlaubsendes müssen
wir uns mit einem eher kurzen Stadtrundgang begnügen, der
natürlich am Edinburgh-Castle beginnt. Wir genießen
den Blick von der Halbmondbatterie über die Stadt und besichtigen,
ebenso pflichtschuldig wie einst Fontane, die Kronjuwelen, wobei
wir die Schulkinder bedauern, die mit Notizblock und Stift hinter
ihrer Lehrerin durch die historischen Hallen laufen und fleißig
mitschreiben. Dann schlendern wir die Royal Mile hinunter, werfen
einen Blick in St. Giles Cathedral, gelangen am Haus des Reformators
John Knox vorbei nach Canongate, wo wir dem Grab von Adam Smith
einen Besuch abstatten. Ironie der Geschichte: Das umzäunte
Geviert, das dem Autor des "Wohlstands der Nationen"
als Grab dient, wird offensichtlich (wie der gesamte alte Friedhof
von Canongate) von einem Obdachlosen als Schlafstätte genutzt.
Ein Zeichen dafür, daß der seit Smith´s Zeiten
gewaltig gestiegene Wohlstand längst nicht alle erreicht
hat. Nach einem Blick auf Holyrood Palace gehen wir zurück
an St. Giles vorbei und hinunter zum Grassmarket, wo wir in Sichtweite
des alten Galgens etwas trinken. Doch selbst Fontanes Gruselgeschichten
können an diesem sonnigen Herbsttag keine schaurige Stimmung
erzeugen. Wir beschließen den Tag schließlich, indem
wir den Sonnenuntergang über der Burg vom gegenüberliegenden
Calton Hill aus betrachten. Am nächsten Tag heißt es
dann nach der Fahrt durch das mit Frühnebel verhangene Tweedvalley
hinter Jedburgh endgültig Abschied nehmen von Schottland,
dem Land "Jenseit des Tweed".