Schottland 1997

Dieser Bericht ist auch in den regionalen Motorradmagazinen Kradblatt, MoKo und Bremer Motorradanzeiger erschienen (Februar 1999).

©Achim Lerch 1998.

Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de


Von Glens und Clans...

"...Ich fahr mit Dir nach Gretna Green" - Marius Müller-Westernhagen klingt leise in meinem Kopf, als wir die Motorräder vor der berühmten Hochzeitsschmiede im schottischen Grenzörtchen Gretna Green abstellen. Einst Anziehungspunkt für kurzentschlossene Heiratswillige, die die höhere Altersgrenze im benachbarten England oder anderswo nicht abwarten wollten, ist der weltberühmte Ort heute kaum noch mehr als ein Touristennepp mit Souvenierladen. So halten wir uns auch gar nicht lange auf, schließlich zieht es uns aus ganz anderen Gründen nach Schottland - allen voran die rauhe Landschaft auf den Hebriden und in den Highlands. Wir suchen dieses "typische" Schottland, wie es vor allem in den Liedern von Robert Burns vielfach besungen wurde. In Dumfries, das wir auf dem Weg nach Glasgow passieren, befindet sich das Grab dieses schottischen Nationalbarden, der hier die letzten fünf Jahre seines Lebens verbrachte. Burns´ Liedtext "My heart is in the highlands" gilt bis heute als Inbegriff schottischen Nationalgefühls. Zu Schottland gehören aber auch die unzähligen Burgen und Schlösser, von denen wir einen ersten Eindruck am Drumlanrig Castle erhalten, wo uns im riesigen Park Fasane vors Vorderrad laufen. Eine ganz andere Seite Schottlands wird dagegen in Glasgow sichtbar, wo in zweierlei Hinsicht die Wurzeln für die heutigen Industriegesellschaften liegen: James Watt erfand hier 1764 die Dampfmaschine und der Begründer der "Nationalökonomie", Adam Smith, studierte hier und wirkte lange Jahre als Professor. Die Metropole mag ihre Reize haben, doch uns erscheint sie an diesem regnerischen Herbsttag nur als triste Industriestadt, die wir schnell abhaken, um uns Quartier am Loch Lomond zu suchen. Der größte Binnensee Großbritanniens gefällt uns schon viel besser, auch wenn die Übernachtungspreise am Seeufer den üblichen Aufschlag für touristisch besonders attraktive Orte enthalten. Bereits Theodor Fontane bemerkte zum Loch Lomond, er sei "eine schöne und noble Wasserfläche, und es kommt ihm zu, daß er ´Der König der Seen´ heißt".

Für uns geht der Weg weiter am Ufer des Loch Lomond entlang, bis die Straße hinter Tarbet in den Argyll-Forest-Park führt, der mit seinen hohen Farnen und den bemoosten oder efeuumrankten Bäumen wie ein verwunschener Zauberwald anmutet. Nach einem Besuch am Inverary Castle mit seinen charakteristischen runden Ecktürmen erreichen wir die Halbinsel Kintyre - Marius ist in meinem Kopf längst Paul McCartny gewichen, und sein "Mull of Kintyre" vor mich hin summend steuern wir gen Süden. Bei einer kurzen Rast passiert es dann: Beim Wenden kippt Claudias Dominator und entledigt sich dabei des größeren Teils ihres Bremshebels. Wir verzichten schweren Herzens auf den so schön besungenen Felsen an der Südspitze der Halbinsel und steuern direkt Oban an, wo es nach Auskunft eines einheimischen Bikers eine Hondawerkstatt geben soll. Für den einen Tag Zwangspause ist die hübsche Hafenstadt Oban der geeignete Ort, und im Gegensatz zu Fontane im Jahr 1858 finden wir auch auf Anhieb ein angemessenes Quartier mit Blick auf die Bucht. Den nächsten Tag nutzen wir dann für eine Rundfahrt, die gleich mehrere Attraktionen beinhaltet: Über den Pass of Brander, Glen Awe und Glen Lochy geht es durch das Rannoch-Moor, laut Reiseführer das "dunkelste und einsamste Moor Schottlands". Im weiteren Verlauf erreicht die A 82 schließlich das berühmte Glen Coe, das uns stimmungsvoll mit einem Regenbogen empfängt. Dieses Tal mit den beiderseits aufragenden Felswänden war einst Schauplatz für eine englische Schandtat, die so manchen Schotten noch heute zu erzürnen vermag:

Um ein Exempel an den widerspenstigen McDonalds of Glen Coe zu statuieren, marschierte im Jahr 1692 Captain Robert Campbell of Glenlyon auf Befehl des englischen Schottland-Ministers mit 120 seiner Clansmen nach Glen Coe und gab vor, Quartier zu suchen. Fast zwei Wochen waren die Campbells Gäste der McDonalds, als sie am Ende einer gemeinsam durchzechten Nacht Männer, Frauen und Kinder aus den Betten zerrten und ermordeten. Wer entkommen konnte, starb in dem draußen tobenden Schneesturm. Das schlimmste an dieser ruchlosen Tat ist aus schottischer Sicht der Bruch der Gastfreundschaft, der Name Campbell ist noch heute unbeliebt.

Da der bestellte Bremshebel erst nachmittags eintrifft, haben wir auch am nächsten Tag noch Zeit für eine weitere Rundfahrt, die uns entlang des Südufers des Loch Awe durch den urwüchsigen Eredine Forest und schließlich in das liebliche Hochtal Glen Lonan führt. An dessen westlichen Ende, kurz vor Oban, liegt der "Rare Breeds Farm Park", in dem eine Tierärztin seltene Haus- und Nutztierrassen vor dem Aussterben zu bewahren sucht. Die Tiere freuen sich sichtlich über jeden Besucher, jedenfalls dann, wenn diese vorher eine Tüte mit Futter erstanden haben. Zurück in Oban wird noch flugs der pünktlich eingetroffene Bremshebel montiert, und wir können unsere Fahrt fortsetzen, deren nächstes Ziel die Hebrideninsel Skye ist. Seit dem Bau der Brücke zwischen Kyle of Lochalsh und Kyleakin ist es strenggenommen mit der Insellage vorbei, was einige Schotten, wie wir im Laufe der Reise erfuhren, eher unpassend finden. Wir beschließen, uns stilvoll zu nähern und biegen nach der Fahrt durch das Glen Shiel bei Shielbridge ab auf eine kleine Single-Track Road, die über einen Paß nach Galtair führt. Von dort fährt eine sehr eigenwillige Fähre nach Kylerhea auf Skye: Auf dem Vorschiff befindet sich eine Art Käfig, der drehbar gelagert ist. Das Schiff macht längsseits der Mole fest und der gesamte Käfig samt Fahrzeugen wird seitlich zum Kai geschwenkt. Nachdem die neuen Fahrzeuge an Bord sind, wird der Käfig um 180 Grad gedreht, so daß man vorwärts wieder herunter fahren kann. Die Überfahrt selbst ist ausgesprochen stürmisch und wir haben große Mühe, die Motorräder am Umfallen zu hindern.

Mit dem Wechselgeld überreicht mir der Fährmann einen kleinen Zettel, auf dem Richard für seine "Accomodation for Biker" wirbt. Das und der günstige Preis gefallen uns, und wir steuern Waterloo bei Broadford an. Richard selbst ist noch an der Arbeit, doch seine im Nachbarhaus wohnende Mutter hört uns kommen, zeigt uns das Zimmer und versorgt uns sofort mit Tee und Gebäck. Nachdem wir dieses neben der halb zerlegten Yamaha in der gemütlichen Küche genossen und das Gepäck abgeladen haben, starten wir angesichts der noch frühen Tageszeit noch zu einem lohnenden Abstecher nach Elgol. Erste Station unserer Inselrundfahrt, zu der wir einen Tag später aufbrechen, ist das "Skye-Croft-House", ein altes Cottage, das so wieder aufgebaut wurde, wie die Häuser noch zu der Zeit ausgesehen haben müssen, als Samuel Johnson auf seiner berühmten Reise "zu den Hebriden" im Jahre 1773 hier vorbei kam. Der Inselhauptort Portree lädt ein zu heißer Schokolade und zu einem Foto der hübschen Hafenpromenade, dann wartet schon der "Old Man of Storr", eine imposante Felsspitze im Norden der Insel. Statt der Küstenstraße sollte man für die Weiterfahrt bei schönem Wetter die Bergstraße durch die Quiraings nehmen, nach einigen Kehren wird man mit einem herrlichen Ausblick über die Nordspitze der Insel belohnt. Am Dunvegan-Castle, das wir wenig später erreichen, verlangt man stolze 4 Pfund 80 Eintritt - da der Anblick vom Meer aus ohnehin imposanter sein soll, verzichten wir für heute und steuern von einem Regenbogen geleitet wieder Richtung Süden.

Das malerische Eilean Donan Castle gilt spätestens seit dem Film "Highlander" als das meistfotografierte Schloß Schottlands, seine Lage im Loch Duich ist aber auch wirklich fotogen. Wir haben Glück und können den trutzigen Bau ablichten, als gerade ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen schüchtern durch den sonst heute eher wolkenverhangenen Himmel lugen. "Steigung bis 25%, enge Haarnadelkurven, für Fahranfänger und große Fahrzeuge ungeeignet, bei Wind unpassierbar!" So warnt sinngemäß ein großes Schild an der Abzweigung zur "Applecross-Road", zweifellos ein fahrerisches und landschaftliches Highlight in Schottland! Bietet die Auffahrt für uns noch herrliche Ausblicke zurück auf die Bucht von Loch Kishorn und Loch Carron, wird das Wetter bei der Abfahrt nach dem Paß Bealach-na Bo immer schlechter. Regen und Kälte trüben den Genuß der herrlichen Streckenführung entlang des Loch Torridon, mit klammen Fingern und Füßen sehnen wir den Ort Shieldaig regelrecht herbei. Dort hat das Rivendell-Guesthouse genau die richtige Unterkunft nach diesem Tag: Für 15 Pfund gibt es eine eigene kleine zweistöckige Wohnung: Unten Wohnzimmer mit Kamin, Stereoanlage und Küchenzeile, oben Schlafzimmer und Dusche/WC. Der Hausherr stellt uns noch gleich einen Elektroofen bereit, vor dem die nassen Sachen ausgebreitet werden. Wir genießen einen gemütlichen Abend vor dem Kamin, während draußen der Sturm gegen die Tür peitscht.

Am nächsten Morgen ist der Himmel wieder blau, aber es ist bitterkalt und auf den Gipfeln des Liathach-Gebirgszuges liegt der erste Schnee. Unser Weg führt uns durch das Glen Torridon, linkerhand begrenzt durch die Liathach-Berge, rechterhand durch mit blühendem Heidekraut überzogene Moorlandschaft. Je weiter wir schließlich nach Norden kommen, desto karger wird die Hochland-Landschaft und der Blick fällt auf die 1100 Meter hohen schneebedeckten Gipfel des Sgurr Mór und des Beinn Dearg, bis kurz nach der Einmündung in die A 855 linkerhand die Corrieshalloch Gorge mit den Falls of Measach liegt. Nachdem uns hier nochmal ein kräftiger Regenschauer kalt erwischt, können wir nach der Besichtigung des Wasserfalls die letzten zwölf Meilen bis Ullapool im Trockenen fahren. Für die meisten Touristen ist dieser für seinen Fischereihafen bekannte Ort der nördlichste Punkt der Reise, wir fahren allerdings am nächsten Tag weiter zur Nordspitze Schottlands - nicht ohne einen Umweg einzuschlagen, der fahrerischen wie landschaftlichen Hochgenuß verspricht: Kurz hinter der Ruine des Ardvreck Castle, die malerisch im Loch Assynt liegt, zweigt die Straße nach Lochinver ab, von wo dann die "Coastal Road" als herrliche Berg- und Talbahn mit bis zu 25% Steigung und Gefälle über Drumbeg nach Unapool führt.

Quartier finden wir in Durness im "West-End-Guesthouse", wobei das "End" im Namen wohl das nahe Ende dieses Etablissements andeuten soll - wahrlich nicht zu empfehlen! Hier in Durness gibt es übrigens die "Smoo Cave" zu bestaunen: Direkt neben der Straße verschwindet ein kleiner Fluß plötzlich im Erdboden, um sich in einem tosenden Wasserfall in die Höhle zu ergießen, die schon Piraten und Schmugglern als Unterschlupf gedient haben soll. Vor dem Abendessen sitzen wir schließlich noch eine ganze Weile an den Klippen und beobachten das Meer wie es Welle für Welle mit Gewalt gegen die Küste tost. Was wir noch nicht ahnen: Der kräftige Wind ist nur ein Vorbote für den Sturm, der am nächsten Morgen tobt und der uns mehrfach beinah und Claudia einmal tatsächlich von der Straße weht. Zum Glück kann sie die Situation meistern und einen Sturz verhindern. Selbst im Stand ist das Motorrad angesichts dieser Naturgewalt kaum zu halten, und wir sind froh, als wir nach langer kräftezehrender Fahrt bei Lairg auf die A 839 abbiegen und in den Windschatten einer Hügelkette gelangen. Das Kulturprogramm für diesen Tag sieht noch einen Abstecher zum Dunrobin Castle vor: Der Stammsitz der Sutherlands verdankt seine sogar von Königin Victoria beneidete Pracht den sogenannten "clearances" des 19. Jahrhunderts: Damals wurden die Pächter brutal von ihrem agrarisch genutzten Land vertrieben, um Platz für die profitablere Schafzucht zu schaffen.
An den Shin-Falls versetzen uns dann am nächsten Tag die Lachse, die man normalerweise hier springen sehen kann, und auch Nessie läßt sich später am Loch Ness nicht blicken. Vorbei an der Ruine des Urquhart Castle fahren wir weiter nach Inverness, "Hauptstadt der Highlands" und Schauplatz eines berühmten Königsmordes. Nach Shakespeare soll hier einst Macbeth Duncan gemeuchelt haben, was ganz unpoetische Historiker allerdings bestreiten. Auch Cawdor Castle, dem wir einen Besuch abstatten, wird als Tatort gehandelt - dummerweise wurde es aber erst 300 Jahre nach der Tat erbaut. Für die meisten Schotten, aber vor allem auch für Amerikaner mit schottischen Vorfahren, ist die Besichtigung des Schlachtfeldes im Culloden Moor vor den Toren von Inverness ein Muß. Hier erlitten die Clans die letzte und entscheidende Niederlage gegen die Engländer, und das gerade in diesen Tagen stattfindende Referendum, welches den Schotten wieder ein eigenes Parlament mit durchaus nicht unerheblichen Befugnissen beschert, mag da manchen nur eine kleine Genugtuung sein.

Die Strecke entlang des River Spey bietet einen besonderen Anblick: Hunderte von jungen Fasanen, die einem ständig vors Vorderrad laufen und zu gemäßigter Fahrweise mahnen. Kurz danach beginnt eine besondere schottische Straße, der "Malt-Whisky-Trail". Dutzende Destillerien finden sich in einem Umkreis von wenigen Meilen. In mindestens einer sollte man schon reinschauen und sich über eine ganz besondere Veredelungsform von Gerste informieren. Ein Schluck echten Single-Malts gehört bei den meisten dazu. Wer tiefer in die Geheimnisse und vor allem geschmacklichen Unterschiede der verschiedenen Brennereien eindringen möchte, der sollte tunlichst das Motorrad stehen lassen und sich einem Bus anvertrauen. Dann kann man auch getrost die schottische Regel beachten: "Trinke niemals Whisky mit Wasser, und niemals Wasser ohne Whisky!"
Ein Nagel im Hinterreifen der GS zwingt uns schneller nach Aberdeen als geplant, wir finden einen Reifenhändler und ich ersetze den ohnehin ziemlich abgefahrenen Pneu. Zur Übernachtung steuern wir das hübsch gelegene Stonehaven an. Nur wenig entfernt liegt malerisch auf einem ins Meer ragenden Felsen die Ruine des Dunnottar-Castle, der wir einen kurzen Besuch abstatten. Sehr viel besser erhalten ist das Crathes Castle, das wir kurze Zeit später besichtigen. Beeindruckend hier vor allem die alten, sehr aufwendig gearbeiteten Holzdecken und der liebevoll gestaltete Garten. Eine Besichtigung von Balmoral-Castle entfällt, da sich die Queen gerade in ihrem Sommersitz aufhält, und auch beim Braemar Castle müssen wir uns mit einem Blick von außen begnügen, da das Schloß an diesem Freitag geschlossen ist. Unterkunft finden wir im gleichnamigen Ort in der Clunie Lodge, einer schönen alten Villa inmitten eines kleinen Parks. Die Lage Braemars am Nordrand der rauhen Grampian-Berge bekommen wir am nächsten Morgen zu spüren: Eine glitzernde Eisschicht überzieht die Sitzbänke unserer Motorräder, den herrlichen Anblick der ebenso reifbedeckten Heidelandschaft können wir dann bei der Fahrt durch die Grampians wegen der Eiseskälte kaum genießen. Die Skilifte, die wir am Devils Ellbow passieren, müssen wohl nicht mehr allzu lange auf ihre Wiedererweckung warten. Ein wenig können wir Fontane verstehen, dem die Grampians bei seiner Reise als menschenfeindliche Einöde erschienen, doch bei der anschließenden Fahrt durch das Glen Shee verliert die A 93 stetig an Höhe und mit jedem Meter wird es wärmer, die Landschaft lieblicher.

Nachdem ein Quartier in Pitlochry gefunden ist, machen wir am späten Nachmittag noch einen Abstecher über den berühmten Pass of Killicrankie zum Blair Castle. Durch das Glen Errochty über Tummel Bridge geht es dann am Loch Tummel vorbei zum "Queens View", einem Aussichtpunkt über dem See, der schon Queen Victoria begeisterte und seither seinen Namen trägt. Unsere Rundfahrt am nächsten Tag führt uns zum Trossachs Trail und zum Loch Katrine. Sir Walter Scott siedelte hier seinen Roman "Lady of the Lake" an, was sowohl ihm selbst als auch dem See zu Weltruhm verhalf. Eher unfreiwillig ist dann am nächsten Tag unser Abstecher nach Buckhaven. Hier gibt es einen Hondahändler, den wir dringend brauchen: Diesmal hat der Schalthebel den Geist aufgegeben, sich aller Zähne entledigt. Statt die Gänge zu wechseln, rutscht der Hebel nur noch auf der Welle hin und her. Die Wartezeit verkürzen wir mit einer Rundfahrt durch die Grafschaft Five. Der malerische, eher mediterran anmutende Hafen von Elie, die Golfhauptstadt St. Andrews und der geschichtsträchtige Loch Leven mit Loch Leven Castle stehen auf dem Programm. Maria Stuart wurde hier gefangen gehalten, bis ihr am 2. Mai 1568 die Flucht gelang. Vor ihrer späteren Enthauptung rettete sie dies allerdings nicht. Unsere Probleme an diesem Tag sind da profaner, und dementsprechend leichter zu lösen: Da der bestellte Schalthebel noch nicht eingetroffen ist, wird einfach das passende Pendant einer nagelneuen SLR aus dem Schaufenster genommen, damit wir unsere Fahrt nach Edinburgh fortsetzen können.
Eine gewaltige Brücke bringt uns über den Firth of Forth in das "Athen des Nordens", wie Edinburgh zu Zeiten der Aufklärung genannt wurde. Die Mischung aus historischer Altstadt und gregorianischer "Neustadt" verleiht der Metropole in der Tat ein besonderes Flair, das sicher eine eigene Reise wert ist. Angesichts des nahenden Urlaubsendes müssen wir uns mit einem eher kurzen Stadtrundgang begnügen, der natürlich am Edinburgh-Castle beginnt. Wir genießen den Blick von der Halbmondbatterie über die Stadt und besichtigen, ebenso pflichtschuldig wie einst Fontane, die Kronjuwelen, wobei wir die Schulkinder bedauern, die mit Notizblock und Stift hinter ihrer Lehrerin durch die historischen Hallen laufen und fleißig mitschreiben. Dann schlendern wir die Royal Mile hinunter, werfen einen Blick in St. Giles Cathedral, gelangen am Haus des Reformators John Knox vorbei nach Canongate, wo wir dem Grab von Adam Smith einen Besuch abstatten. Ironie der Geschichte: Das umzäunte Geviert, das dem Autor des "Wohlstands der Nationen" als Grab dient, wird offensichtlich (wie der gesamte alte Friedhof von Canongate) von einem Obdachlosen als Schlafstätte genutzt. Ein Zeichen dafür, daß der seit Smith´s Zeiten gewaltig gestiegene Wohlstand längst nicht alle erreicht hat. Nach einem Blick auf Holyrood Palace gehen wir zurück an St. Giles vorbei und hinunter zum Grassmarket, wo wir in Sichtweite des alten Galgens etwas trinken. Doch selbst Fontanes Gruselgeschichten können an diesem sonnigen Herbsttag keine schaurige Stimmung erzeugen. Wir beschließen den Tag schließlich, indem wir den Sonnenuntergang über der Burg vom gegenüberliegenden Calton Hill aus betrachten. Am nächsten Tag heißt es dann nach der Fahrt durch das mit Frühnebel verhangene Tweedvalley hinter Jedburgh endgültig Abschied nehmen von Schottland, dem Land "Jenseit des Tweed".


Achim Lerch


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