Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de
4 Jahrzehnte (politische) Teilung und 15 Jahre Wiedervereinigung haben den Blick auf die wahre Spaltung unseres Vaterlandes verstellt: Nicht Ost-West ist die Frage, nicht Freiheit oder Sozialismus, wie uns tumbe Wahlkampfstrategen einst (und jetzt wieder) weismachen woll(t)en. Nein, die wahre Grenze verläuft zwischen Nord und Süd, zwischen Kradistentraum und Alptraum. Das wurde mir (wieder einmal) schlagartig klar, als ich vergangene Woche mit dem Krad in jenes grauenerregende Niemandsland fuhr, welches die Hölle im direkten Vergleich als ein Paradies erscheinen lässt. Den Harz, als nördlichsten Vorposten der Mittelgebirge, durchquert, kommt hinter Goslar der Absturz, der tiefe Fall in die norddeutsche Tiefebene. Tiefer kann man nicht sinken, ab hier beginnt die schiere Trostlosigkeit. Straßen, wie mit dem Lineal gezogen, die Landschaft platt, der Reifen eckig, die Sinne stumpf. Das Motorrad starr, nur das Weltbild wankt. Sicherheit weicht nagendem Zweifel, bohrenden Fragen: Irrte Galilei? Ist die Erde am Ende doch eine Scheibe? Kann man hier als Kradist (über)leben? Woher soll Hoffnung kommen? Politische Teilungen lassen sich überwinden, aber topographische?
Welche Erlösung dann auf der Rückfahrt die Erhebungen des Weserberglandes! Die Erde ist doch rund! Und der Reifen wird es auch bald wieder sein, ganz bestimmt...