©Achim Lerch 1999.
Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de
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Doch es kann auch ganz anders sein, selbst am Wochenende. Wer
eine Thermokombi besitzt, Frostbeulen nicht scheut und nicht gerade
ein Saisonkennzeichen an sein "Mopped" geschraubt hat,
der kann an einer der meistfrequentierten "Badewannen"
des Landes eine beschauliche Seeidylle finden, wie wir sie sonst
nur aus den einsamen Weiten Skandinaviens kennen. So zum Beispiel
auch an diesem 2. Januar, an dem ich von Kassel aus zu einer winterlichen
Stauseenrunde aufbreche. Die Temperaturen liegen knapp über
dem Gefrierpunkt, Schnee findet sich allenfalls in unbedeutenden
Resten und durch dünne, schleierartige Bewölkung scheint
hier und da die Sonne. Über die Druseltalstraße fahre
ich stadtauswärts am Hohen Gras vorbei über den Essigberg,
sehe dabei Kassels Wahrzeichen, den Herkules, im Rückspiegel
von hinten. Bei Ehlen erreiche ich die B 251, der ich Richtung
Korbach folge. Keine Ahnung, wie oft ich die folgenden Kurven
schon durcheilt habe. Heute ist jedenfalls vorsichtige Fahrweise
angesagt, bei dieser Witterung kann überall Glatteis lauern.
Das Café Monschein, nordhessischen Gespannfahrern als Treffpunkt
bekannt, lasse ich rechts liegen, bei Ippinghausen grüßt
linkerhand wie immer die Ruine der Weidelsburg. Kurz hinter dem
Ort verkündet ein mit Wappen verzierter Grenzstein, daß
ich das Waldecker Land erreicht habe, und gleich darauf leuchtet
rechts der Straße die Fassade von Schloß Höhnscheid
gelb in der Sonne. Das Hinweisschild zur Edertalsperre, einige
Kilometer später am Abzweig nach Sachsenhausen, ignoriere
ich, bleibe statt dessen noch einige Kurven lang auf der Bundesstraße,
um wenig später links nach Alraft abzubiegen. Von hier geht
es nach Oberwerbe, das von einer exponiert auf einem Felsen thronenden
Ruine bewacht wird. In das enge Tal ist die Sonne noch nicht vorgedrungen,
und so sind Felder und Bäume reifbedeckt. Das kleine Sträßchen
führt zunächst bergan, um dann steil nach Niederwerbe
hinunterzuführen. Man erreicht einen nach Norden reichenden
Seitenarm des Edersees, der sich eigentlich in West-Ost-Richtung
über 27 Kilometer lindwurmartig durch das Edertal zieht.
Nach nur wenigen Kurven der Uferstraße werfe ich den Anker,
um den Anblick des Sees zu genießen. Derart stimmungsvoll,
mit spiegelglatter Wasseroberfläche im milden Licht der Wintersonne,
habe ich ihn selten erlebt. Ein Ruderboot liegt nahe dem Ufer
vor Anker, der Blick fällt über den See auf die bewaldeten
Hänge des Kellerwaldes - man fühlt sich urplötzlich
meilenweit von zu Hause entfernt, wähnt sich in Kanada oder
Skandinavien. Nachdem ich mich von dem Anblick losreißen
konnte, schwinge ich gemütlich weiter Richtung Staumauer,
wo weit und breit kein Motorrad zu sehen ist. Das 400 Meter lange
und 47 Meter hohe imposante Bauwerk wurde von 1908 bis 1914 errichtet,
zur Stromerzeugung und um Fulda, Weser und vor allem den kurz
zuvor fertiggestellten Mittellandkanal auch in trockenen Zeiten
schiffbar zu halten. Ich versuche mir vorzustellen, wie sich die
202 Millionen Kubikmeter Wasser, die der Stausee faßt, in
einer gigantischen Flutwelle Richtung Kassel ergießen -
so wie es in der Nacht zum 17. Mai 1943 geschah, als britische
Fliegerbomben ein gewaltiges Loch in die Staumauer rissen.
Die Gedanken an diese Katastrophe verfliegen aber sofort, als
die Sonne bei der Weiterfahrt durch eine größere Lücke
späht und wohlige Wärme ausstrahlt. Vorbei an Waldeck
mit seinem hoch über dem See liegenden Schloß geht
es anschließend über Korbach und Adorf zum "kleinen
Bruder" des Edersees, dem Diemelstausee. Mittlerweile ist
kräftiger Wind aufgekommen, und die Wasserfläche des
kleinen Sees ist im krassen Gegensatz zur spiegelnden Fläche
des Edersees aufgewühlt. Auch hier, wo die Grußhand
an einem Sommerwochenende keine Minute am Lenker bleibt, ist heute
kein Motorrad zu sehen. Über Helminghausen geht es nach Padberg,
dessen imposante Kirche mit ihren zwei Türmen schon von weitem
auf sich aufmerksam macht. In Bredelar treffe ich auf die B 7,
um sie gleich darauf wieder Richtung Giershagen und Bad Arolsen
zu verlassen. Dort verbinde ich die Tankpause mit einem Cappuccino
zum Aufwärmen und werfe einen kurzen Blick auf das Residenzschloß
des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, 1713-1729 nach dem Vorbild
Versailles´ erbaut. An der Wetterburg vorbei geht es nach
Volkmarsen und der Blick fällt auf die über dem Ort
aufragende Ruine der Kugelsburg, bevor sich die Straße in
einigen Kehren Richtung Breuna hinaufwindet. Kurz hinter Breuna
führt ein kleines Sträßchen durch den Wald zum
Gut Escheberg. Von dort kann man auf zwei Wegen nach Zierenberg
gelangen, ich wähle den Weg über Laar. Von Zierenberg
aus erklimme ich den Dörnberg mit seiner charakteristischen
Trockenrasenlandschaft, selbst heute sind einige Segelflieger
unterwegs. Am Flughafen Kassel-Calden vorbei gelange ich anschließend
zum Schloß Wilhelmstal, einem der schönsten Rokokoschlösser
Deutschlands, von Landgraf Wilhelm III Mitte des 18. Jahrhundert als
Sommerresidenz vor den Toren Kassels errichtet. Von hier zieht
sich eine Achse über Rasen- und Tulpenallee zum Schloß
Wilhelmshöhe, benannt nach Wilhelm IX und heute mit Kran
und Gerüst wegen der anstehenden Kuppelsanierung nicht sehr
fotogen. Mit einem herrlichen Blick auf Kassel führt mich
schließlich die Wilhelmshöher Allee zurück in
die Stadt.
Die beschriebene Tour ist ca. 200 Kilometer lang, kann aber über reichlich vorhandene kurvige Landstraßen beliebig verlängert werden. Hier hilft ein Blick in die Generalkarte, Blatt 3. Will man hingegen die eine oder andere Besichtigung einschieben, etwa von Schloß Wilhelmshöhe oder Wilhelmstal, Schloß Arolsen, Schloß Waldeck oder dem Herkules, läßt sich damit sogar mehr als ein Tag füllen. Für eine Kaffee-Pause eignen sich unter anderem die Kugelsburg bei Volkmarsen, wo man bei Kaffee und Kuchen die herrliche Aussicht genießen kann, oder die Wetterburg bei Bad Arolsen, die neben einem Restaurant auch ein Aquarienmuseum beherbergt.
Und hier noch zwei Videos von Touren im Dezember 2013: Edersee und Diemelsee.