Alpen-Enduro 2005

©Achim Lerch 2005.

Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de


Leontopodium alpinum*

Meditatives Motorradfahren. Der Boxer brummt zufrieden zwischen meinen Schenkeln, singt sein sonores Lied, während die Landschaft als bunter Flickenteppich vorüberzieht. Der Geist entspannt sich, die Gedanken schweifen. Cogito ergo sum -, nein, ich fahre, also bin ich. Vollendete Kontemplation, vollständige Versenkung, Zen, Nirwana,….die Bremslichter eines vor mir fahrenden Autos reißen mich aus meinen Tagträumen, der Blick fällt auf den Tacho. Scheiße, gerade erst 15 Km, seit dem letzten Blick. Von wegen meditatives Motorradfahren - Autobahn ist einfach Mist. Und immer noch 400 Km vor mir…

Einige Zeit später, A 96, letzte Ausfahrt Lindau: Geschafft! Der Blick fällt auf das schwäbische Meer, die Laune steigt, woran auch der anschließende Stau in Bregenz nichts mehr ändert. Nebenbei: Was kostet eigentlich die abwechselnde Benutzung von Busspur und Fahrradweg bei gleichzeitiger Missachtung von Vorfahrtsregeln und amtlichen Lichtzeichenanlagen in Österreich? Also, schnell raus aus Felix Austria, ab in die Schweiz, und zum ersten Pass der Tour, dem Klausenpass. Der Spaß hält sich diesmal in Grenzen, was nicht nur an Regen und nasser Fahrbahn liegt. Ein Gruß in den Kradistenhimmel an dieser Stelle…

Furkapass und Rhone-Gletscher sind schon fast Routine, noch mal Kilometer fressen im Rhonetal auch, umso schöner dann das große Fressen am Fonduetopf später am Abend in Martigny. Dann: Servus Schweiz, bonjour la France! Ein Alpenland der Gegensätze: Chamonix, überstrahlt vom Mont Blanc und durchweht vom Duft alpinistischer Tradition; nur wenig später Val d` Isère, touristisches Kunstprodukt und architektonischer Alptraum. Ein Alp in Bitumen übrigens auch die Südrampe des Col de l´ Iseran bei Regen. Ach ja, Regen: kostbares Nass, so ungleich verteilt: In Südfrankreich und Spanien sehnlichst erwartet, in Bella Italia, genau gesagt am Rifugio Scarfioti, heute im Überfluss. Aber: In den Alpen ändert sich das Wetter bekanntlich schnell: Als ich nachts mal raus muss zum pinkeln, strahlen die Sterne über mir, und voller Vorfreude auf den sonnigen Tag schlafe ich wieder ein. Geweckt werde ich vom Regen, der auf das Zelt prasselt. In den Alpen ändert sich das Wetter bekanntlich schnell. Also bergan, Richtung Colle: da wird aus dem Regen Schnee, die Piste weiß und dem Fahrer immer wärmer – ums Herz wie unterm Helm. Irgendwann ist Schluss, das GPS zeigt 2878 Meter – also wieder nix mit 3009, was soll´s, das Erlebnis hatten wir schon.

Die Spinnen, die Römer. Sagt einer der Helden aus meinen alten Lateinheften. Und auch wenn mich deren Lektüre nicht bis zum Latinum geführt hat, Obelix hat recht. Anders ist der „Weg“ von Bar Cenisio hinauf zum Mont Cenis, den jene spinnerten Römer schon angelegt haben sollen, jedenfalls nicht zu erklären. Wir spinnen auch, und haben deshalb unsere holprige Freude daran - wie auch am Blick vom Fort Veriselles auf das schimmernde Wasser des Lac du Mont Cenis. Wasser, ach ja. Es regnet auch an diesem Abend am Rifugio…

Ciao Italia, retour in der Grand Nation. St. Martin du Vesubie, Hochprovence, um genau zu sein. Doch wen interessieren schon Nationalitäten und Grenzen, zumal wir die zwischen Italien und Frankreich nun ständig passieren – das bringt der Verlauf der ligurischen Grenzkammstraße so mit sich. Zuvor noch die Baisse de Peyrefique, Test für Fahrwerk und Sitz der Plomben. Erkenntnis dann am Colle del Lago del Signori: In den Alpen ändert sich das Wetter schnell. Eben noch strahlende Sonne, zieht ein Gewitter auf. Umkehren? Weiter fahren? Den Tanarello bei Gewitter? Doch der wurde angeblich vor einiger Zeit neu planiert, also weiter – nur kurz unterstellen, der Blitze wegen. Kluge Entscheidung, wie eine auf der Piste verteilte, vom Blitz gespaltene Föhre wenig später zeigt. Der Tanarello ist jetzt übrigens wirklich eine unspektakuläre Angelegenheit, kein Vergleich zu meiner adrenalingeschwängerten Befahrung vor einigen Jahren. Nach dem Schotter- noch das touristische Programm: Neben Lavendelduft bietet die Hochprovence noch grandiose Landschaften - vor allem in Form diverser Schluchten, die Daluis-Schlucht wohl die eigentümlichste darunter. Und Schräglagenfreuden bringt u.a. der Col du Turini – in jeder Richtung, am schönsten jedoch die Nordrampe. Wir machen den Tag zur Nacht – der langen Messer und kurzen Geraden.

Die Rückfahrt schließlich: Meditatives Motorradfahren, Autobahn…Quatsch, französische Nationalstraßen, Flucht vor der Toure de France ins Jura, Elsass. Der Boxer brummt…

* Besser bekannt als Edelweiß, in Italien Stella Alpina, der Alpenstern, was auch der Name des jährlich stattfindenden Motorradtreffens am Colle Sommeiller bei Bardonecchia ist – Anlass der beschriebenen Reise.

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