Vergleichstest R 80 GS - DR Big

Dieser Bericht erschien im Juni 1996 in den regionalen Motorradmagazinen MoKo, Kradblatt und Bremer Motorradanzeiger.

©Achim Lerch 1996.

Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de


Von Schnabeltieren und Gummikühen - ein Vergleich zwischen Suzuki DR 750/800 Big und BMW R 80 GS.

Die "Doktor Big", wie die DR 750 bzw. DR 800 von ihren Fans liebevoll getauft wird, und die "Gummikuh", die seit Einführung des Paralevers gar nicht mehr so gummi-mäßig fährt, sind einerseits grundverschiedene Motorräder, haben aber andererseits doch vieles gemeinsam: Ähnlicher Hubraum, ähnliches Gewicht und vor allem ein ähnliches Einsatzgebiet - beides sind sogenannte Reise-Enduros. Die wesentlichen Unterschiede sind augenfällig: während die Suzuki ihren Hubraum in nur einem Zylinder unterbringt, braucht die BMW derer zwei - deswegen kostet sie zwar nicht gleich das Doppelte, aber doch einiges mehr als der mächtige Eintopf. Ein Vergleich der beiden Motorräder scheint also durchaus interessant, zumal die BMW gerade eine Neuauflage in Form der R 80 GS "Basic" erfährt und damit das "Ableben" dieses Motorrades noch ein wenig hinausgezögert wird. Dies ist nun kein professioneller Vergleichstest, sondern nur die schlaglichtartige Wiedergabe einiger Erfahrungen, die ich mit beiden Motorrädern im Laufe von fünf Jahren gemacht habe. Diese Erfahrungen beziehen sich auf ca. 85 000 km DR 750, 5 000 km DR 800 und gut 50 000 km mit der BMW. "Teststrecke" waren Straßen und Pisten in Deutschland, Frankreich, Italien, Korsika, Sardinien, Schweiz, Österreich, Tschechien, Ungarn, Spanien, Portugal, Marokko, Tunesien und Libyen, und von butterweichen Dünen bis zu verschneiten Alpenpässen war eigentlich so ziemlich alles dabei, was dem Endurofahrer so unter die Räder kommen kann.

Hervorstechendes Merkmal der DR Big ist der Schnabel, an dem sich ja bekanntlich die Geister scheiden. Hat man aber erst einmal in der schwindelnden Höhe von 90 cm Platz genommen (wobei die neue 800er etwas niedriger ist), sieht man dieses umstrittene Plastikteil ohnehin nicht mehr. Stattdessen kann man jetzt das hervorragende Fahrwerk genießen, das sich so schnell durch nichts aus der Ruhe bringen läßt und das eindeutig zu den Stärken der Big zählt. Um das gleich vorweg zu nehmen: In diesem Punkt ist die Big der BMW eindeutig überlegen. Das Original-Federbein der GS ist für eine Enduro wahrlich keine Offenbarung. Mit vollem Gepäck schlägt das Federelement auch bei maximaler Vorspannung schon bei Bodenwellen durch, die man auf der Big kaum wahrnimmt. Nach 11 000 km war dann mitten in der libyschen Sahara das Federbein meiner BMW hoffnungslos am Ende und das Dämpferöl lief wie aus einem Wasserhahn. Zum Vergleich: Bei der 750er Big hielt das erste Federbein die gesamte "Testdistanz" von 85 000 km und dämpfte danach immer noch tadellos. Wer also mit der Gummikuh auch im Gelände fahren will oder einen Wüstentrip plant, der kommt um die Investition in ein Produkt aus der Zubehörindustrie (etwa von White Power oder Öhlins) nicht herum. Damit hat das Fahrwerk zwar noch keine Big-Qualitäten, aber es ist erträglich. Die begrenzten Federwege und das fehlende Umlenksystem setzen der BMW (auch kardanbedingt) klare Grenzen. Richtig gut (aber auch richtig teuer) wird es dann erst mit einer Fahrwerksveredelung mit Schwingenverlängerung aus dem Hause HPN oder Schek. Zur "Ehrenrettung" sei noch gesagt, daß BMW mir beim Kauf des White-Power-Beins, das es als Original-BMW-Zubehör gibt, aus Kulanz 300,- DM nachließ. Die Bayern wissen wohl um die Fahrwerksschwächen ihrer GS und verbauen nun bei der neuen/alten R 80 GS "Basic" aus gutem Grund serienmäßig ein White-Power-Federelement.

Etwas anders sieht die Sache beim Motor aus: Zwar ist immer wieder beeindruckend, mit welcher Laufkultur der mächtige Einzylinder zu Werke geht, und stehen sich Big und BMW in Punkto Beschleunigung und Endgeschwindigkeit in nichts nach, doch überzeugt der Zweizylinder einfach in jeder Situation durch das schon sprichwörtliche Drehmoment des Boxers. In Drehzahlregionen, wo der Big-Kolben ungesund auf die Kurbelwelle einhackt, geht es selbst bei der "kleinen" BMW gut zur Sache. Das erlaubt nicht nur entspanntes Touren auf jedweden Straßen, sondern macht auch im tiefen Sand oder bei trialartigen Schotterpaß-Passagen mächtig Spaß. Die eigentlich immer am Hinterrad zur Verfügung stehende Kraft erleichtert es ungemein, die nicht gerade leichte Fuhre selbst durch schwieriges Gelände zu bewegen. Dazu kommt der im Vergleich zur Big angenehm niedrige Schwerpunkt, der in Verbindung mit dem durchzugsstärkeren Motor dazu führt, daß sich in schwierigem Gelände und bei langsamen Passagen die BMW als die handlichere erweist. Auf schnellen Passagen, Holper- und Wellblechpisten wird dann der Gummikuhtreiber allerdings nur noch eine ferne Staubwolke der Big erblicken, deren Fahrwerk alles glattbügelt, was die BMW zum Bocken bringt.

Was die Bremsen anbelangt, sehe ich eigentlich keine wesentlichen Unterschiede: sie sind bei beiden Motorrädern nicht berauschend, aber ausreichend. Das gilt auch für die hintere Trommelbremse der BMW, an der ich persönlich nichts auszusetzen habe - auch wenn immer wieder beklagt wurde, daß sie nicht mehr "Stand der Technik" sei. Auch die DR 750 kam hinten mit Trommelbremse aus, und der wesentliche Unterschied zur hinteren Scheibenbremse bei der 800er besteht aus meiner Sicht darin, daß man bei letzterer öfter die Beläge wechseln muß. Vielleicht sieht das anders aus, wenn man häufiger zu zweit fährt - dann weiß man die bessere Bremswirkung am Hinterrad vermutlich eher zu schätzen. Vorn ist die größere Scheibe der DR 800 gegenüber der 750er eine echte Verbesserung, bei der BMW gibt es für sportlich ambitionierte Fahrer zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten wie Vierkolbensattel oder Doppelscheibenanlage.

In Punkto Zuverlässigkeit würde ich beide Motorräder gleich bewerten, die BMW siegt allerdings bei Verarbeitungsqualität (kann man bei dem Preis wohl auch verlangen) und in Sachen Wartungsfreundlichkeit. Wer wie ich schon mal am Rande afrikanischer Sandpisten insgesamt fünf (!) mal die Big-Vergaser ausgebaut, auseinandergenommen und gereinigt hat oder (zumindest bei der 750er) nur zum Luftfilterreinigen die Prozedur des Tankabbaus bewältigen mußte, der weiß die konsequent schrauber- und wartungsfreundliche Bauweise der Bayern-Enduro zu schätzen. Und die Vorteile des Kardanantriebs gegenüber einer Kette brauchen wohl kaum noch betont zu werden. Durchdacht und praxisgerecht sind auch die Speichen der BMW, die man ohne Reifendemontage wechseln kann. (Das konnte ich bei der 750er Big mit viel Tücke schließlich auch: Durch die große Trommel waren die sehr kurzen äußeren Speichen des Hinterrades, die zudem extrem stark gekröpft waren, ein Schwachpunkt; auf Saharapisten pflegten sie trotz täglicher Kontrolle und Nachspannung immer gleich reihenweise zu brechen. Wenn man bei der neuen Speiche ein Stück vom Gewinde absägt, etwas Luft aus dem Reifen läßt und den Schraubkopf gegen den Widerstand des Schlauchs gerade so weit in die Felge drückt, daß er nicht durchrutscht, kann man die neue Speiche montieren).

Zur Haltbarkeit: Der Motor der 750er Big brauchte wegen starker Pittingspuren nach gut 60 000 km eine neue Nockenwelle und neue Kipphebel. Nach 85 000 km brach dann in Tunesien die Feder des Steuerkettenspanners, was neben einer kaputten Steuerkette einen Schaden an den Auslaßventilen verursachte. Ansonsten zeigte sich der Motor auch nach dieser Laufleistung in allerbestem Zustand. Der BMW-Motor hat bislang noch keinerlei Unmutsäußerung erkennen lassen - bei erst 50 000 km gehört sich das wohl auch so. Auch der bei dieser Laufleistung häufig auftretende Schaden am hinteren Getriebelager ist bei meiner GS (toi, toi, toi...) bisher ausgeblieben. (Anmerkung: Bei Km 70.000 hat es mich dann erwischt: Hinteres Getriebelager und hinteres Kreuzgelenk defekt). Völlig unauffällig und unproblematisch funktioniert das Sekundärluftsystem der BMW, das Schadstoffe zwar nicht in gleichem Maße wie ein geregelter Drei-Wege-Kat, aber doch merklich reduziert - eine mehr als sinnvolle Maßnahme.

Eine abschließende Wertung vorzunehmen fällt schwer, da beide Motorräder ihre Vorteile haben. Ich würde aber in der Summe dennoch die BMW vorziehen: Verarbeitungsqualität, Wartungsfreundlichkeit, reichhaltiges Zubehörangebot, Kardanantrieb und vor allem der drehmomentstarke Motor geben den Ausschlag - all das hat aber auch seinen Preis. Manchmal allerdings, da wünschte ich mir doch das Fahrwerk der Big zurück...

Achim Lerch


Bilder: Oben: Mit der DR Big auf Korsika.

Unten: Motocross mit 300 Kg - die Grenzen einer Reiseenduro! (mit der R 80 GS samt Urlaubsgepäck auf einer Motocross-strecke in Ungarn).


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